Veränderungen brauchen Gefühlskompetenz: Teil 1 Umgang mit negativen Gefühlen.

Hypothese: So gut wie keine Führungskraft ist noch nie mit der einen oder anderen Veränderung auf die Schnauze gefallen. Einer von vielen Gründen kann sein, dass die Gefühlsebene missachtet wurde. Deine Veränderungsprojekte werden öfter erfolgreich sein, wenn Du einen konstruktiven Umgang mit Gefühlen findest. Und zwar mit allen Gefühlen aller Beteiligten. Im ersten Teil dieser zweiteiligen Serie zu Gefühlskompetenz in Veränderungen gebe ich ein paar Hinweise zum Umgang mit negativen Gefühlen. Ich stürze mich zuerst auf die negativen, weil positive Gefühle meistens das kleinere Problem in Veränderungsprojekten sind. 😉

Plötzliche, unerwartete Veränderung
Diese Veränderung war unerwartet.

Ob das, worum es geht Veränderung, Change oder Transformation genannt wird ist übrigens egal. Für die hier diskutierten Herausforderungen macht das keinen Unterschied.

Warum ist es wichtig, auf negative Gefühle im Veränderungsprozess zu achten?

Niemand freut sich über negative Gefühle und heißt die Umstände, die sie auslösen, willkommen. Deshalb führen sie fast zwingend zu Widerstand und Ablehnung. Diese machen Dir als Führungskraft das Leben schwer. Sie wirken sich auf das Arbeitsklima aus und führen zu Spannungen und Konflikten. Motivation und Engagement werden dadurch leiden.
Am Schluss sorgen negative Gefühle für Stress und psychische Belastungen und sind der psychischen Gesundheit am Arbeitsplatz alles andere als zuträglich.

Wenn Du möchtest, dass die Veränderungen, die Du verantwortest, nachhaltig sind, dann solltest Du verhindern, dass eben diese negative Gefühle auslösen.

Beispiel: Einführung von Software

Ein Softwareentwickler in einem mittelständischen Unternehmen, seit 20 Jahren dabei, ist die Arbeit mit der Kommandozeile gewöhnt. Die Firma ist mit der Einführung von Cloud-Software, die die Zusammenarbeit vereinfacht 2023 ein bisschen spät dran. Es wird nun, schnellschnell, eine grafische Entwicklungsumgebung, ein Code-Review-System im Browser und eine Videokonferenz- und Chatlösung eingeführt. Unser Softwareentwickler weiß nicht wie ihm geschieht. Vom Kommandozeilengott wird er über Nacht zum GUI-Newbie. Seine eingespielten Workflows funktionieren alle nicht mehr. Er braucht für die Erledigung seiner Aufgaben viermal so lang. Seine wahrgenommene Wirksamkeit ist gesunken und er ist wütend auf die, die ihm das eingebrockt haben. Er fühlt sich nicht ernst genommen und macht seiner Wut Luft. Da er als erfahrener Experte hohes Ansehen bei seinen Kollegen genießt, ist die Stimmung im Team sehr schlecht. Innerhalb der nächsten Monate kündigen mehrere Entwickler.

Welche negativen Gefühle sind bei Veränderungen besonders relevant?

Trauer

Veränderungen können Trauer und Verlust auslösen, wenn betroffenen Personen ihre gewohnte Arbeitsumgebung oder ihre Position verlieren. Das kann zum Beispiel die informelle Position eines in der Firma anerkannten Experten für ein Tool sein, das abgelöst wird.

Unsicherheit

Unsicherheit tritt bei Veränderungen besonders dann auf, wenn die Folgen für die betroffenen Personen nicht absehbar sind. Wie werde ich in Zukunft arbeiten? Kann ich die gleiche Kompetenz und das gleiche Gefühl von Wirksamkeit erlangen wie jetzt? Unsicherheit ist die kleine Schwester der Angst.

Angst

Angst tritt dann auf, wenn jemand erwartet, dass sich durch eine Veränderung seine/ihre Position und Arbeitsbedingungen verschlechtern. Im Gegensatz zur Unsicherheit ist diese Person eben sicher, dass die Veränderung eine Verschlechterung bedeutet.

Wut und Frustration

Als Folge auf eins oder mehrere der oben genannten kommt es dann oft zu Wut und Frustration. Von Veränderungen betroffene haben das Gefühl, dass ihre Interessen und Bedürfnisse nicht berücksichtigt werden. Aus Angst, Unsicherheit und Trauer wird dann oft Wut.

Wie gehe ich mit negativen Gefühlen um?

Proaktiv

Am besten ist es, wenn Du es schaffst, dass gar nicht erst so viele negative Gefühle entstehen. Das erfordert Kommunikation.

  • Sprich mit den Betroffenen. Finde heraus, was die Veränderung für sie bedeutet. Stelle Fragen zu den erwarteten Auswirkungen. Hör ihnen zu.
  • Hilf ihnen, von Anfang an, die Chancen in der Veränderung zu sehen.
  • Sorge dafür, dass jede*r versteht, was die Gründe für die Veränderung sind.
  • Beteilige möglichst alle, die von der Veränderung betroffen sind. Hör Dir Feedback an und setze es auch um.
  • Biete Schulungen und Trainings an, stelle Dokumentation zur Verfügung. Gib jeder/m die Chance, von Anfang an handlungsfähig zu sein.
  • Sorge dafür, dass die Beteiligung an der Veränderung attraktiv ist.

Reaktiv

Und wenn man noch so gut kommuniziert, am Ende erreicht man doch nicht alle. Dann gilt es, die zu unterstützen, die negative Gefühle der Veränderung gegenüber haben. Hier ein paar Vorschläge, was Du als Führungskraft tun kannst.

  • Biete den Kollegen eine positive Perspektive auf den Change an. Welche Aspekte an der Veränderung sind gut? Welche Aspekte sind für genau diese Person gut? Gibt es Lernchancen für ihn oder sie oder die ganze Organisation?
  • Nutze die Wut-Energie. Was muss passieren, damit die Veränderung zum Erfolg wird? Was kann der oder die wütende dazu beitragen? Wut weist auf etwas hin, das es zu ändern gilt. Sie ist in vielen Fällen hilfreich.
  • Lassen sich die Gründe für die negativen Gefühle finden? Lässt sich daraus Feedback generieren? Im optimalen Fall kannst Du dieses dann umsetzen um beim nächsten Change wieder ein paar mehr von Anfang an mitzunehmen.
  • Können die Personen mit negativen Gefühlen besser eingebunden werden? Oft hilft es, Personen mehr an der Veränderung zu beteiligen, um sie mehr Wirksamkeit erleben zu lassen.
  • Biete den Mitarbeiter*innen, die betroffen sind Coaching an. Oft ist es am besten, einen externen Coach hinzuzuziehen, der an den internen Veränderungen nicht beteiligt ist. Hier ist es wichtig, dass die Person merkt, dass Coaching Unterstützung für sie ist und dass sie nicht zurechtgerückt werden soll.

Was kann ich tun, um den Umgang mit Gefühlen zu lernen?

Gerade der Umgang mit als negativ empfundenen Gefühlen ist für viele Führungskräfte eine Herausforderung. Bei sich selbst und noch mehr bei anderen Personen. Das ist ein Lernprozess, der seine Zeit braucht. Hier ein paar Dinge, die hilfreich sind:

  • Mache Dir die Gefühle bewusst. Welche Gefühle sind gerade im Spiel? Nimm Dir die Zeit, darüber nachzudenken.
  • Akzeptiere die Gefühle. Sie sind jetzt da. Ob Du willst oder nicht. Unterdrücke oder ignoriere sie nicht.
  • Reflektiere die Gefühle. Warum sind die Gefühle da? Was hat sie ausgelöst? Was kann ich tun, damit sie verarbeitet werden können?
  • Sprich über die Gefühle, die gerade im Spiel sind. Am besten mit jemandem, dem Du vertraust. Wenn Du in Deiner Rolle als Führungskraft Gefühle ansprichst, ist Vorsicht geboten. Ist die Vertrauensbasis wirklich da?
  • Sei achtsam. Nimm Gefühle wahr, ohne sie zu verurteilen oder zu bewerten.

Am einfachste ist es, gemeinsam mit einem Coach an der eigenen Gefühlskompetenz zu arbeiten. Ich unterstütze Dich oder Deine Mitarbeiter*innen sehr gerne dabei.

Hier kannst Du noch ein paar weitere Informationen finden:

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