
Sport ist mir sehr wichtig. Ich brauche Bewegung und nur wenn ich mich ein paar Mal in der Woche körperlich verausgabe, bin ich (einigermaßen 😉) ausgeglichen. Nach nun doch schon einigen Jahren (Äh… Über 20 inzwischen 😲) regelmäßigen Trainings und Erfahrungen in einigen Sportarten (Laufen, Radfahren, Sportklettern, Bergsteigen, um die wichtigsten zu nennen) habe ich doch einiges aus meiner sportlichen Freizeit für mein restliches Leben mitgenommen. Im Folgenden habe ich einige der Erkenntnisse aufgeschrieben.
Pause machen
Momentan versuche ich, die Füße still zu halten. Es fällt mir schwer. Normalerweise bin ich ein „Season all year long“-Hobbysportler, der bei jedem Wetter raus geht. Aktuell zwinge ich mich dazu, wenigstens ein paar Tage nichts zu machen. Warum? Das linke Knie zwickt, genauso die rechten hinteren Oberschenkelmuskeln. Das geht schon wieder weg, aber wenn ich Pause mache, geht es schneller weg.
Pausen sind sehr sinnvoll. Wenn man merkt, dass die Anstrengung zu groß wird, sollte man anhalten und durchschnaufen.
Wann eine Pause nötig ist, merkt man nicht immer gleich. Durch den Sport bringt man sich selbst oft in Situationen, in denen man sich ausruhen sollte. Während einer Aktivität, aber auch generell. Klar gibt es auch zu viel Training. Man lernt die Anzeichen zu erkennen und kann diese Fähigkeit dann auch im restlichen Leben einsetzen.
Dran bleiben
Am Anfang einer Läuferkarriere macht man schnell Fortschritte. Die Bestzeiten verbessern sich ständig und man ist dadurch super motiviert. Irgendwann werden die Zeiten dann nicht mehr besser. Manchmal werden sie sogar schlechter. Wer das Plateau aushält und anfängt, Strategien zu entwickeln, wie er sich weiter verbessern kann, der wird — nach einiger Zeit — richtig gut.
Das gilt so ziemlich für alles. Es ist nicht so schwer, ein*e mittelmäßige*r Programmierer*in zu werden. Oder ein*e mittelmäßige*r Chef*in. Wer richtig gut werden möchte, der tut gut daran, die Mühen der Ebene zu ertragen, seine vorübergehende Mittelmäßigkeit zu akzeptieren und dran zu bleiben.
Spezifität und Variation
Wer ein guter Trailläufer sein möchte, der muss auf Trails laufen. Durch Straßenläufe oder Radfahren wird man kein Trailläufer. Ebenso wird man sich schwer tun, einen Marathon zu laufen, wenn die längste Strecke im Training zehn Kilometer beträgt. Und wer ein wirklich starker Felskletterer werden möchte, der kann nicht nur Klimmzüge üben und in der Halle klettern.
Es ist nicht so, dass die oben genannten Trainingsaktivitäten die „Primäraktivität“ nicht unterstützen. Ein Trailläufer braucht Ausdauer und Kondition. Aber ohne eine gute Lauftechnik und Trittsicherheit, wird er im Gebirge wenig Spaß haben. Ebenso wird sich ein Kletterer am Fels schwer tun, wenn die Griffe plötzlich nicht mehr neonfarben sind.
Wenn man also gut werden möchte, dann muss man genau das tun, was man lernen will.
Allerdings nicht ausschließlich. Wer nur läuft, ohne zu dehnen und ohne den Oberkörper zu trainieren, der wird bald mit Verletzungen kämpfen. Im Alltag braucht man dann doch noch ein paar andere Muskeln. Ausgleichsaktivitäten sind sehr wichtig. Sie trainieren Muskelgruppen, die man bei seiner Lieblingsaktivität nur selten benötigt und verhindern so ein Ungleichgewicht, das zu Problemen führt. Außerdem verbessern sie die allgemeine Kondition und helfen, den Horizont zu erweitern.
Genauso im Berufsleben. Wer primär fachlich arbeitet und hofft, nebenher eine gute Führungskraft zu werden, der braucht schon riesiges Talent. Das haben ehrlich gesagt die wenigsten.
Rückschläge wegstecken
Juhu! Die Laufuhr zeigt eine supertolle VO2Max an. Die beste die ich je erreicht habe. In der vulnerablen Phase nach dem Training treffe ich meinen Sohn, der mit einer Rotznase aus dem Kindergarten kommt. Zwei Tage später habe ich die Erkältung. Nebenhöhlen dicht, Husten… Ein fast tödlicher Männerschnupfen, der mich für zwei Wochen vom Training abhält. Die VO2Max ist wieder „im Keller“ (zwei mg/min/Kg schlechter…) und ich bin megafrustriert.
Nein, nicht wirklich. Ein bisschen genervt vielleicht. Wer ist schon gerne erkältet. Aber die Kondition kommt schon wieder. Selbst wenn ich mal über Monate weniger Sport mache, als ich eigentlich für gut halte, bin ich sicher, dass ich wieder eine gute Form erreichen kann.
Auch hier gelingt mir der Transfer vom Sport in den Alltag ganz gut. Wenn es mal schlechter läuft, bin ich recht sicher, dass ich es aussitzen kann und die Fähigkeiten habe, alles wieder auf die rechte Bahn zu lenken.
Ballistisches Verhalten erkennen und vermeiden
Darüber habe ich hier schon mal geschrieben. Was ballistisches Verhalten ist und was es bedeutet, habe ich bei der Beschäftigung mit anspruchsvolleren Hoch- und Klettertouren gelernt. Wer — auch bei signifikant veränderten Rahmenbedingungen — nicht von einem einmal getroffenen Plan abweichen kann, der verhält sich ballistisch. Ballistisch deshalb, weil eine Gewehrkugel, die den Lauf verlassen hat, die Richtung auch nicht mehr ändern kann. Wer eine Bergtour durchziehen will, auch wenn sich das Wetter verschlechtert, er sich verletzt hat oder Sicherheitsausrüstung kaputtgeht oder vergessen wurde, der zeigt dieses Verhalten.
Hier fällt die Übertragung leicht. Wer ein Projekt durchzieht, obwohl sich die Rahmenbedingungen signifikant verändern, der verhält sich ballistisch. Das geht dann oft auf Kosten der Mitarbeiter*innen, die zum Beispiel den Ausfall eine*r*s Kolleg*in kompensieren müssen.
Leistungsgrenzen sind (meistens) im Kopf
Gerade als Läufer kommt man recht schnell zu der Erkenntnis, dass Leistungsgrenzen oft im Kopf sind. Eben mal eine schnellere Pace oder eine längere Strecke als sonst laufen sind nämlich kein Problem. Kann man einfach so machen, wenn man es im Kopf hinbekommt und die Anstrengung aushält. Und die Schmerzen, wenn man es übertreibt. Doch dazu später mehr.
Wie viel man schafft, hängt signifikant von der geistigen Verfassung, dem Selbstvertrauen, der Schmerztoleranz und der Erfahrung ab. Was passiert, wenn ich jetzt mehr mache als in einem normalen Training? Verletze ich mich ernsthaft, oder habe ich nur drei Tage lang Muskelkater? Ich erinnere mich da an eine Bergtour, bei der ich die letzten zehn von 35 Kilometern bei jedem Schritt leise gestöhnt habe und trotzdem die ganze Zeit ein breites Grinsen im Gesicht hatte. Das geniale Erlebnis und das Wissen, dass ich gerade etwas mache, was bei weitem nicht jeder schafft, haben mich quasi zum Auto getragen.
An anderen Tagen sind mir zehn flache Kilometer in der Stadt zu viel. Meistens an Wintertagen mit bleiernem Himmel und Nieselregen, wenn es in der Arbeit anstrengend war und ich einfach geistig erschöpft bin.
Die Fähigkeit, sich selbst anzutreiben, um ein lohnenswertes Ziel zu erreichen, kann man meiner Meinung nach nirgends so gut und einfach erwerben, wie beim Sport.
Umgang mit Schmerzen
Gibt es „gute Schmerzen“? Manche*r Sportler*in freut sich über Muskelkater, weil das doch ein Hinweis ist, dass das Training nicht ganz nutzlos war. Eigentlich ist das aber ein Hinweis auf eine Überlastung. Andererseits… Dauerhafte Schäden verursacht sporadischer Muskelkater auch nicht. Grundsätzlich gibt es keine guten Schmerzen. Sie sind immer ein Hinweis darauf, dass irgendetwas falsch ist. Jedoch kann man als Sportler lernen, welche Schmerzen mehr oder weniger harmlose Warnsignale sind und auf welche man sofort mit Trainingsabbruch und/oder Pause oder sogar einem Arztbesuch reagieren sollte. Auf dem Weg dahin wird den meisten vermutlich die eine oder andere Fehleinschätzung passieren, die dann zu einer längeren Trainingspause führt.
Was man daraus lernen kann, ist Schmerzen ernst zu nehmen. Lieber einmal zu oft Pause gemacht, als sich unter Schmerzen durchgebissen und dann für Wochen ausgefallen.
Mit körperlichen Schmerzen hat man als Büroarbeiter hoffentlich selten zu tun. Nur Rückenprobleme und Kopfschmerzen sind in unserem Metier häufiger anzutreffen. Die Erkenntnisse lassen sich aber auch auf seelische Schmerzen anwenden. Lieber nicht weiterkämpfen, sondern erst mal Pause machen und die Ursache suchen und beseitigen. Auch hier gibt es die Kategorien „nervt nur, geht aber wieder weg“ und die Kategorie „hör auf, sonst bist Du erst mal weg“.
Umgang mit Risiken
Gerade durch das Klettern und andere Arten der Bewegung im alpinen Gelände, habe ich gelernt auf meine Fähigkeiten zu vertrauen und Risiken zu akzeptieren. Es ist nun mal so, dass man Steinschlag nicht verhindern kann. Auch ist es nicht ausgeschlossen, dass man eine Gletscherspalte übersieht. Oder, dass eine Sicherung ausreißt. Für all diese Dinge gibt es gute Methoden, das Risiko zu minimieren. Helm, Seil, redundante Absicherung. Trotzdem bleibt ein Restrisiko. Wer in der Kletterhalle stürzt, flucht ein bisschen und klettert weiter. Wer im alpinen Gelände stürzt, der hat trotz bestmöglicher Sicherung ein hohes Verletzungsrisiko. Wer alle Risiken vermeiden will, der muss dann wohl zu Hause auf dem Sofa bleiben und verpasst die Chance, grandiose Abenteuer zu erleben.
Wer Fähigkeiten besitzt, mit Risiken umzugehen, sie einzuschätzen und die Folgen eingetretener Risiken zu behandeln, für den ergeben sich Chancen. Natürlich nicht nur in der Freizeit.
Nichts ist für immer
Ich bin ein Kletterer der nicht klettert und ein Skifahrer, der nicht Ski fährt. Weil meine Prioritäten momentan einfach woanders liegen. Dinge die mal gut funktioniert und Spaß gemacht haben, rücken in den Hintergrund, andere Dinge werden wichtig.
Schwierig wird es, wenn Aktivitäten, die Identität stiften und einen extrem positiven Einfluss auf das Lebensgefühl haben, nicht mehr (einfach) möglich sind. Sei es durch Verletzungen oder die Änderung der Lebensumstände. Wer damit umzugehen weiß und sich nicht aus der Bahn werfen lässt, der hat einen extremen Vorteil. Wir werden alle älter und irgendwann ereilt das jede*n. Gut, wenn man zeitig den Umgang damit gelernt hat, lieb gewonnenes loszulassen.
Weitere Lebensbereiche…
Die Übertragung von Fähigkeiten aus dem einen Lebensbereich in andere ist genauso eine universelle Fähigkeit, die übertragbar ist. Natürlich lernt man auch spannende Dinge, wenn man weniger sportliche Hobbys hat. Oder kann berufliche Fähigkeiten in der Freizeit gebrauchen. Was hat Führung eigentlich mit Kindererziehung zu tun? Gibt es da Parallelen? Oder nicht? Sind Führungskräfte gute Eltern? Oder Eltern gute Führungskräfte?🤔
Wenn Du bei Deinen Hobbys etwas gelernt hast, was Du im Beruf oder im restlichen Leben gebrauchen kannst, hinterlasse gerne einen Kommentar.
Danke, dass Du mein Blog liest!