Schlaf

Zelt und Fahrrad im Wald
Guter Schlaf muss nicht im Bett stattfinden.

Guter und ausreichend langer (Nacht-)Schlaf ist essentiell wichtig für die Gesundheit — geistig und körperlich — und dennoch wird diese von vielen Menschen als unproduktiv wahrgenommene Aktivität sehr oft vernachlässigt. Dabei ist Schlaf alles andere als unproduktiv. Und das sogar noch auf mehreren Ebenen.

Ich selbst bin nicht der begabteste Schläfer und kämpfe seit ich mich erinnern kann mit leichtem Schlaf, sowie Schwierigkeiten ein- und durchzuschlafen. Kinder und Stress machen diese Probleme nicht gerade besser. Inzwischen schaffe ich es aber meistens eine ausreichende Mütze voll Schlaf zu bekommen. Einige meiner Erkenntnisse zur Verbesserung des Schlafs habe ich in diesem Artikel gesammelt.

Warum überhaupt schlafen?

Wenn wir davon ausgehen, dass die Evolution versucht uns im Laufe der Zeit optimal an unsere Umweltbedingungen anzupassen, dann muss dieser Zustand von Wehrlosigkeit wohl irgendwelche Vorteile haben. Immerhin liegen wir ein Drittel des Tages unter völliger Ausblendung unserer Umgebung rum und könnten jederzeit von einem Säbelzahntiger gefressen werden.

Neuorganisation des Speichers

Eine der wichtigsten Funktionen des Schlafes ist, das erlebte und gelernte zu verarbeiten und Dinge, die wir den Tag über aufgenommen haben mit denen, die wir schon wussten zu verknüpfen. Es wird angenommen, dass diese Funktion hauptsächlich während des REM (Rapid Eye Movement) Schlafes stattfindet. Es werden neue Verknüpfungen gebildet und alte, nicht mehr benötigte, werden verworfen.

Heilen

Sowohl die Psyche, als auch der Körper heilen im Schlaf. Wenn es gelingt gut zu schlafen, sind die Probleme des Abends am nächsten Morgen nur noch halb so schlimm. Entzündungen können vom Körper im Ruhezustand sehr effektiv bekämpft werden. Nach sportlicher Aktivität, wird im Schlaf die Muskulatur angepasst und aufgebaut.

Auch die Wahrscheinlichkeiten für Krebs, Herzinfarkt und Alzheimer sinken, wenn man regelmäßig dem Schlaf genug Raum gibt. Für die körperliche Widerherstellung ist der Tiefe Nicht-REM-Schlaf am wichtigsten.

Immunsystem

Während des Schlafes ist Dein Immunsystem in Hochform. Studien haben gezeigt, dass Impfungen eine erheblich bessere Immunantwort herbeiführen, wenn in der Nacht nach der Verabreichung des Impfstoffes ordentlich geschlafen wird. Dasselbe gilt für Krankheitserreger, die auf natürlichem Weg in den Körper gefunden haben.

Degenerierte Zellen, die zu Krebszellen werden können, werden während des Schlafes besser vom Körper erkannt und „weggeräumt“. Auch hier gibt es Studien, die einen Zusammenhang zwischen gesenktem Krebsrisiko und gutem Schlaf belegen.

Produktivität

Wenn der Schlaft gut war, dann wirkt sich das ungemein auf die Produktivität tagsüber aus. Mit einer ausreichenden Mütze voll REM-Schlaf, fällt es unglaublich viel leichter, sich zu konzentrieren und Dinge zu lernen.

Dein Rhythmus ist nicht mein Rhythmus

Um nochmal auf die Evolution zurückzukommen. Unterschiedliche Menschen haben einen unterschiedlichen Schlafrhythmus. Einige von uns sitzen länger am Lagerfeuer und bemerken in dieser Zeit natürlich drohende Gefahren (Säbelzahntiger et. al.). Andere sind dafür früher wach. So ist die Zeit, in der die Gruppe ungeschützt ist, deutlich minimiert.

Dass man seinen eigenen Rhythmus findet und auch respektiert, ist essentiell wichtig für einen guten Schlaf und damit auch für produktive Tage. Dabei sollte man sich auf keinen Fall von irgendwelchen Annahmen oder gesellschaftlichen Zwängen leiten lassen. Nur weil die coolen Kids um 23:00 Uhr erst so richtig anfangen aufzudrehen und bis in den Morgen feiern, muss das noch lange nicht heißen, dass das für Dich passt.

Ich selbst bin ein etwas extremes Beispiel mit einem gegenüber der Norm (Maximum der Gaussverteilung) doch deutlich verschobenen Schlafrhythmus. Mir geht es am besten, wenn ich gegen 21:00 Uhr schlafen gehen. Wenn das klappt, dann wache ich um kurz vor 05:00 Uhr ohne Wecker auf und bin fit. Bis ich das kapiert habe, habe ich lange Zeit dagegen gekämpft und mich am Abend dagegen gewehrt, rechtzeitig ins Bett zu gehen…

Gesellschaftlich ist das natürlich ein bisschen schwierig. Meine besten Freunde sind zum großen Teil „Eulen“, die deutlich später ins Bett gehen. Auch bei Abendveranstaltungen tue ich mir im Allgemeinen eher schwer und lasse sie lieber aus. Hilft aber nichts. Wer seinen Rhythmus verleugnet, der wird seine Tage deutlich schlechter nutzen können.

Kennst Du Deinen optimalen Rhythmus? Wenn nein, starte eine Versuchsreihe um ihn herauszufinden. Experimentiere mit unterschiedlichen Bettgehzeiten. Mit großer Wahrscheinlichkeit bist Du „normal“ und für Dich passt ungefähr 23:00 Uhr bis 07:00 Uhr. Kann aber sein, dass es für Dich optimal ist, deutlich früher oder deutlich später ins Bett zu gehen.

Die optimale Länge des Schlafes unterscheidet sich wohl nicht so stark wie früher angenommen. Studien haben gezeigt, dass auch Menschen, die sich damit brüsten mit fünf Stunden Schlaf auszukommen, deutliche Einbußen in der Konzentration und Leistungsfähigkeit erleben, wenn sie wirklich so kurz schlafen. Sieben bis neun Stunden wird als optimale Schlafdauer angesehen.

Versuche Deinen Tagesablauf an Deinen Rhythmus anzupassen. Oft lassen sich Arbeitszeiten und Termine in gewissem Maß so verschieben, dass Du Deinen Tag optimal nutzen kannst. Auch für einen Arbeitgeber ist es von Vorteil, wenn seine Mitarbeiter*innen ihre Produktivität optimieren. Viele werden deshalb auch nach vorne oder nach hinten verschobenen Arbeitszeiten zustimmen. Durch verschobene Arbeitszeiten lässt sich die Gesamtzeit, in der Leistungen für Kunden erbracht werden können, verbessern. Die Frühaufsteher sind so deutlich früher erreichbar und die Nachteulen dafür bis in den Abend. Meiner Erfahrung nach gibt es dadurch kaum Abstimmungsprobleme. Die Arbeitszeiten überschneiden sich in der Tagesmitte genug und außerdem gibt es asynchrone Kommunikationsmittel wie Chat oder Email.

Koffein und Alkohol

Koffein und Alkohol sind zwei Genussmittel, die für einen schlechten Schlaf sorgen.

Um die Wirkung von Koffein zu erklären, muss ich ein wenig ausholen. Koffein blockiert die Rezeptoren des Neuromodulators Adenosin. Adenosin bewirkt, dass alle belebenden Neurotransmitter (zum Beispiel Dopamin, Azetylcholin, Noradrenalin) gehemmt werden. Das führt letztendlich dazu, dass wir müde werden. Die Konzentration von Adenosin steigt über den Tag an und erreicht ein Maximum, wenn wir zu Bett gehen (sollten). Während des Schlafes wird das Adenosin abgebaut. Wenn wir nicht genug schlafen, bleibt eine Restkonzentration bestehen und wir fühlen uns schon am Vormittag wieder müde.

Koffein blockiert nur die Adenosinrezeptoren, bewirkt aber kein Absinken des Adenosinspiegels. Wir fühlen uns also wach, das Adenosin sammelt sich aber weiterhin an. Die Wirkung des Koffeins setzt ungefähr eine halbe Stunde nachdem wir es konsumiert haben ein und hält mehrere Stunden an. Ein Kaffee nach dem Abendessen ist also eine sehr blöde Idee, wenn man auf guten Schlaf Wert legt. Ich würde sogar so weit gehen, dass ich ab dem frühen Nachmittag keinen Kaffee mehr empfehlen würde. Wenn man nun im Bett liegt und das Adenosin nicht seinen Job machen kann, dann fühlt man sich unruhig und wälzt sich hin und her anstatt einzuschlafen. Und wenn man dann doch einschläft, fällt es schwer den Tiefschlaf zu erreichen, der sonst in der ersten Nachthälfte überwiegt.

Sobald die Wirkung nachlässt und das Adenosin wieder „andocken“ kann, fühlen wir uns umso müder.

Alkohol stört den Schlaf auf deutlich perfidere Art. Viele Menschen sind davon überzeugt, dass ein Bierchen oder ein Gläschen Wein hilft, um gut zu schlafen. Stimmt definitiv nicht. Beim Einschlafen hilft es vielleicht. Das war es dann aber auch schon. In der zweiten Hälfte der Nacht ist man nach dem Alkoholkonsum dafür öfter wach und schläft insgesamt kürzer. Auch die Atmung wird beeinträchtigt. Es kommt zu Schnarchen und in manchen Fällen sogar zu Schlafapnoe, also Atemaussetzern. Außerdem dämpft Alkohol den für die Gedächtnisfunktion essentiellen REM-Schlaf, was am nächsten Tag dann zu Konzentrationsproblemen und schlechterer Aufnahmefähigkeit führt.

Den Schlaf verbessern

Den Schlaf zu verbessern ist gar nicht so schwierig. Es gibt sehr viele Stellschrauben, an denen man drehen kann.

Aktivität

Körperliche Aktivität fördert den Schlaf erheblich. Aber nur, wenn sie nicht zu knapp vor dem Zubettgehen stattfindet. Ein hartes Lauftraining am Abend ist zum Beispiel für viele nicht optimal, um gut zu schlafen. Bis die Stresshormone, die dadurch freigesetzt werden, wieder abgebaut sind, dauert es einfach. Wenn Du gut schlafen willst, mach am besten vor 17:00 Uhr Sport, um Dich wohlig erschöpft zu fühlen, wenn Du ins Bett gehst. Ein ruhiger Spaziergang am Abend hilft um runterzukommen und zu entspannen.

Essen

Auch hier gilt die Devise: Nicht zu viel und nicht zu wenig. Außerdem bitte nicht zu spät. Sowohl ein zu voller Bauch, als auch ein zu leerer sind für guten Nachtschlaf nicht förderlich.

Wenn man am Abend (nicht zu viele) langkettige Kohlehydrate (Nudeln, Kartoffeln, Brot… Am besten Vollkorn) zu sich nimmt, dann macht das müde und hilft beim Ein- und durchschlafen.

Bett

Hier gibt es sehr viel Optimierungspotential. Das Ziel ist, so zu liegen, dass man nicht den Drang verspürt sich oft umzudrehen. Eine Matratze, die für eine Entlastung der Gelenke und der Wirbelsäule sorgt und keine Punktbelastungen erzeugt ist sehr wichtig. Im Allgemeinen wird das eine weichere Matratze sein. Besonders, wenn Du auf der Seite oder auf dem Bauch schläfst.

Das Kissen sollte die richtige Höhe haben, um passend zu Deinem Schlafstil Deinen Nacken zu entlasten. Bauchschläfer brauchen ein niedriges, weiches Kissen. Rückenschläfer ein mittelhohes und Seitenschläfer ein hohes Kissen.

Ruhe

Ruhe ist wichtig um gut zu schlafen. Wie wichtig, ist individuell unterschiedlich. Ich brauche es sehr ruhig, da ich sonst zu oft aufwache. Für mich hat es sich bewährt, mit Ohrenstöpseln zu schlafen, da ich sonst keine ausreichende Geräuschlosigkeit herstellen kann. Nachbarn, Verkehr, Heizung, Kinder… Es gibt einfach zu viele Geräuschquellen in der Nacht.

Dunkelheit

Wenn es zu hell ist, wird die Ausschüttung des Hormons Melatonin gehemmt. Eine hohe Meltoninkonzentration ist wichtig, um einschlafen zu können. Deswegen solltest Du Lichtquellen im Schlafzimmer eliminieren. Lichtdichte Vorhänge oder Rolladen sind schon mal das A und O. Auch eine zu helle Anzeige am Wecker und diverse LEDs von Mobiltelefonen, Laptops und Ladegeräten, die im Schlafzimmer rumliegen, stören den Schlaf und sollten verbannt werden.

„Morgenlicht“ mit hohem Blauanteil hilft besonders gut gegen die Ausschüttung von Melatonin. Deswegen sollte man vor dem Schlafengehen nicht mehr zu viel auf Displays starren. Und wenn es unbedingt sein muss, dann bitte wenigstens den Blaulichtfilter einschalten, der inzwischen bei den meisten Geräten vorhanden ist.

Allgemein hilft es, wenn am Abend die Beleuchtung nicht zu hell und nicht zu blau ist. Das stimmt am besten auf den Schlaf ein und sorgt dafür, dass man zur Ruhe kommt.

Temperatur

Nicht schwitzen, nicht frieren lautet die Devise. Eine nicht zu hohe Raumtemperatur ist gut, um gut zu schlafen, da die Körpertemperatur etwas absinken muss, um in tiefen Schlaf zu fallen. Außerdem sollte die Decke zur Jahreszeit passen. Wenn man trotz dicker Decke friert, hilft vielleicht eine warme Unterlage.

Zur Ruhe kommen

Um gut zu schlafen, ist es wichtig am Abend zur Ruhe zu kommen. Wenn die Gedanken kreisen, hilft Ablenkung durch Lesen oder Fernsehen. Am besten etwas wenig actionreiches 😉. Auch eine Runde Tetris oder ähnliche Spiele helfen dem Hirn beim Runterkommen.

Wen wundert es, dass ich Meditation empfehle? Um ruhig zu werden und die Gedanken zu beruhigen vor dem Einschlafen oder auch im Liegen im Bett um direkt von der Meditation in den Schlaf zu gleiten. Meine bevorzugte Meditationsapp Medito hat diverse Einschlafmeditationen, sowie einige tolle Einschlafgeschichten.

Schlafmittel

Schlafmittel sind KEINE Methode um guten Schlaf zu fördern. Sie helfen vielleicht beim Einschlafen, bringen aber — wie Alkohol — die wichtigen Schlafphasen durcheinander. Außerdem machen sie sehr schnell abhängig und wirken oft bis in den Morgen nach. Sie beeinflussen dann die Aufmerksamkeit zum Beispiel beim Autofahren auf dem Weg in die Arbeit.

Schlafhygiene

Alles, was ich bisher geschrieben habe, läuft auf eines hinaus: Wer auf guten Schlaf Wert legt — und das sollte wirklich jeder —, der braucht Gewohnheiten, die ihn fördern. Sieh Dir unter den oben aufgeführten Gesichtspunkten Deine Schlafgewohnheiten und besonders Deine Abendroutine an.

Verteidige Deinen Schlaf. Das ist kein Egoismus sondern führt dazu, dass Du am Tag mit Deiner vollen Leistungsfähigkeit zur Verfügung stehst. Du wirst geduldiger sein, was vielleicht Deinen Kindern zugute kommt. Du wirst konzentrierter und leistungsfähiger sein. Das wird positive Auswirkungen auf Deinen Job haben. Ebenso, wird Dein Immunsystem seine volle Leistungsfähigkeit erreichen und Du wirst deutlich seltener krank sein.

Wie dem auch sei, ich hoffe, dieser Blogpost hat auf Dich nicht einschläfernd gewirkt. Danke, dass Du meinen Blog liest 🙂

Wenn Du Fragen hast oder zum Thema Schlaf beraten werden möchtest, schreib mir gerne.

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