
Ein Thema, das langsam Fahrt aufnimmt, dessen Wichtigkeit aber meiner Meinung nach immer noch unterbewertet ist, ist die psychische Gesundheit am Arbeitsplatz. Psychische Erkrankungen sind weiter verbreitet als man denkt und zählen weltweit zu den häufigsten Erkrankungen. Laut Robert Koch Institut leiden in Deutschland bis zu 9% der Gesamtbevölkerung an depressiven Symptomen. Andere Statistiken gehen von 25% und mehr aus. Wie auch immer man diese Statistiken deuten mag, ist mein persönlicher Eindruck, dass psychische Gesundheit ein Thema ist, dem wir uns annehmen sollten. Jeder für sich, wir Führungskräfte, sowie alle Unternehmen und Organisationen. Es gibt da so einiges, was jeder tun kann. Ich bemühe mich in diesem Artikel Hinweise für uns alle zu geben. Nicht nur für Führungskräfte.
Meine Motivation, mich dieses Themas anzunehmen, ist, dass Burnout und Depression alte Bekannte von mir sind. Ich habe diese Erfahrung schon während des Studiums gemacht und habe es mit der Hilfe einiger toller Menschen geschafft, diese Probleme weitgehend hinter mir zu lassen. Was ich damals gelernt habe, nutzt mir bis heute. Stichwort Resilienz.
Auch musste ich einige Male weitgehend hilflos zusehen, wie geschätzte Kolleg*innen in einen Burnout abrutschen. Das muss nicht sein, wenn wir alle achtsam sind. Und zwar uns selbst und unseren Mitmenschen gegenüber.
Achtsamkeit
Achtsamkeit in diesem Kontext bedeutet, aufmerksam zu sein und frühe Anzeichen von Erschöpfung und depressiven Verstimmungen zu erkennen. Die meisten Menschen rutschen nicht innerhalb von Tagen von einem ausgeglichenen seelischen Zustand in einen schwere Depression. Schlechte Tage hat so gut wie jeder mal. Worauf es ankommt, ist, es zu merken, wenn sich zu viele schlechte Tage aneinanderreihen. Daraus kann dann ein Dauerzustand werden, aus dem man schwer wieder raus kommt.
Bei sich selbst…
Folgende Fragen kannst Du Dir stellen, um zu bewerten, wie es Dir geht und ob Du etwas verändern solltest:
- Wie empfinde ich meine Arbeit gerade? Macht sie mir Spaß?
- Fühle ich mich wirksam?
- Habe ich das Gefühl, meine Aufgaben bewältigen zu können?
- Wie empfinde ich den Kontakt zu meinen Kolleg*innen?
- Bin ich leichter reizbar als sonst?
- Schlafe ich schlecht?
- Fühle ich mich antriebslos?
- Kann ich Schokolade/Netflix/Bier/Wein und anderen Dopaminkicks schlechter widerstehen als sonst?
Wenn die Antworten auf diese Fragen für Dich unbefriedigend ausfallen, ist es Zeit etwas zu ändern. Was Du konkret tun kannst, um Deine psychischische Gesundheit zu erhalten oder zu stabilisieren, kannst Du weiter unten lesen.
Bei anderen…
Vielen Menschen erkennen Überlastungssituationen bei sich selbst nicht rechtzeitig oder nehmen die Signale nicht ernst. Wenn wir bei unseren Mitmenschen, Kolleg*innen oder Mitarbeiter*innen bemerken, dass es ihnen schlecht geht, sollten wir versuchen, sie zu unterstützen. Und wenn es nur mit Gesprächen und kleinen Gesten der Zuwendung ist. Folgende Verhaltensänderungen können Anzeichen für eine sich verschlechternde psychische Gesundheit sein – zumindest, wenn sie über längere Zeit anhalten:
- Rückzug und verminderte Aktivität in Meetings
- Pessimismus
- Reizbarkeit
- Sarkasmus
- Antriebslosigkeit
- Stellen der Sinnfrage
Wie gesagt, es geht um Verhaltensänderungen bei Personen, die sonst positivere Verhaltensweisen zeigen. Es gibt auch Menschen, die sich mit den oben genanten wohl zu fühlen scheinen 😉
Guter Umgang mit psychischen Belastungen vs. Stigmatisierung
Ein großes Problem ist aus meiner Sicht, dass ein Schnupfen, Corona oder ein gebrochenes Bein noch deutlich ernster genommen werden, als psychische Erkrankungen. Dabei schränkt eine depressive Verstimmung (Vorstufe zur „echten“ Depression) die Produktivität doch deutlich mehr ein als Halsschmerzen. Dass man eine Erkältung vernünftig auskuriert, ist inzwischen – auch dank der Coronapandemie – normal. Dass man Maßnahmen ergreift, um die psychische Gesundheit zu erhalten oder wiederherzustellen wird nach meinem Eindruck an vielen Stellen noch eher belächelt.
Wer psychische Probleme hat, ist daran nicht „selber Schuld“. Die Gründe dafür können vielfältig sein und sind abhängig von der persönlichen Belastbarkeit und Resilienz, dem Hormonhaushalt, den äußeren Umständen, unbewussten Erfahrungen in Kindheit und Jugend undsoweiter.
Auch werden Personen mit psychischen Problemen gerne als „schwach“ und „weich“ abgestempelt. Wer sich mal den Arm gebrochen hatte, zu Übergewicht neigt oder jeden viralen Atemwegsinfekt einsammelt, hat im Allgemeinen kein Problem einen Job zu finden. Wer mit Burnout und Depression offen umgeht hingegen schon. Und wer mal wegen eines Burnout längere Zeit gefehlt hat, bekommt oft keinen Fuß mehr auf den Boden. Die Person tut dann gut daran, die Firma zu wechseln und seine/ihre überstandene Krise bei der Suche nach dem nächsten Job zu verschweigen.
Muss das sein? Meine Erfahrung besagt, dass Personen, die genug Unterstützung erhalten, sehr wohl wieder leistungsfähig werden. Manchmal sogar leistungsfähiger als vorher. Bei gutem Umgang mit psychischen Erkrankungen, kann man viel daraus lernen und sogar gestärkt aus so einer Erfahrung herauskommen.
Konkrete Tipps
Im Folgenden findest Du einige konkrete Dinge, die Du tun kannst, um Deine psychische Gesundheit zu stärken und in gewissem Maße auch wieder herzustellen.
Achtung! Wenn es Dir wirklich schlecht geht und Du auch nach einem längeren Zeitraum (länger als 2 Wochen) der „Selbsttherapie“ nicht aus einem unguten Zustand herauskommst, sprich in jedem Fall mit einem Arzt oder Psychotherapeuten darüber. Sich aus einer ernsthaften Depression selbst wieder herauszukämpfen ist so gut wie unmöglich.
Aufrechte Körperhaltung und Lächeln
Wer in sich zusammengesunken sitzt oder steht und mit einem griesgrämigen Gesicht durch den Tag geht, der wird sich schwer tun, Freude zu empfinden. Deswegen:
- Aufrichten!
- Schultern nach hinten!
- Kopf hoch!
- Lächeln! 😃
Gerne auch Personen anlächeln. Ob fremd oder bekannt, oft bekommt man ein Lächeln zurück.
Meditation
Für mich ist Meditation einer der Grundpfeiler meines psychischen Wohlbefindens. Sie ist kein Allheilmittel und es gibt kaum kurzfristige positive Effekte. Regelmäßige Meditation hilft jedoch, den „Achtsamkeitsmuskel“ zu trainieren und dann auch subtile Anzeichen für psychisches Unwohlsein zu erkennen und die Ursachen zu finden.
Auch der Umgang mit negativen Gedankenschleifen à la „alles ist schlecht“ oder „ich hab‘s nicht drauf“ wird durch Meditation leichter. Man wird immer besser darin, sie frühzeitig zu bemerken und einfach zu durchbrechen.
Ein paar Tipps zu Meditation habe ich hier und hier aufgeschrieben. Wenn Du mehr Unterstützung brauchst, sprich mich an 🙂
Schlaf
Schlaf ist essentiell für die Gesundheit im Allgemeinen und die psychische Gesundheit im Speziellen. Räume dem Schlaf genug Priorität ein und mache alles dafür, gut und ausreichend lang zu schlafen. Eine gesunde Schlafdauer für einen durchschnittlichen Erwachsenen sind sechs bis acht Stunden. Manche Menschen brauchen mehr, andere kommen auch mit weniger klar. Wenn Du viel Schlaf brauchst, dann ist das so. Höre auf Deinen Körper.
Hier noch ein paar Tipps:
- Sorge dafür, dass es möglichst dunkel ist.
- Vermeide körperliche Aktivität kurz vor dem Schlafengehen.
- Leg Dein Smartphone spätestens eine Stunde vor dem Schlafengehen weg oder nutze wenigstens einen Blaulichtfilter.
- Langkettige Kohlehydrate machen müde. Kartoffeln, Nudeln, Reis oder anderes Getreide zum Abendessen helfen beim Einschlafen. Aber auch nicht zu viel davon. Ein zu voller Bauch bewirkt eher, dass man schlecht schläft.
- Zucker und Koffein machen wach. Also ab dem späten Nachmittag besser vermeiden.
- Mir hilft es zu lesen, bis ich wirklich müde bin. Kurz bevor mir die Augen zufallen, lege ich das Buch weg und schlafe kurz darauf tief und fest.
- Manche Menschen können auch bei Gewitter, neben der Autobahn oder einem schnarchendem Partner schlafen. Wenn das bei Dir nicht der Fall ist und in Deinem Schlafzimmer Ruhe schwer herstellbar ist, versuche es mit Ohrstöpseln. (Mein Tipp: Mack‘s Earplugs)
- Eine ruhige Abendroutine hilft ungemein.
Beziehungen
Verbundenheit zu anderen Menschen hilft in vielerlei Hinsicht. Freundschaften tun gut und wenn es doch mal nicht so läuft, hat man Anlaufstellen, auf die man sich verlassen kann. Es lohnt sich immer, seine Freundschaften zu pflegen. Um hier nochmal auf das Thema Meditation zurückzukommen: Versuche mal eine Metta Meditation.
Körperliche Gesundheit
Ein weiterer Faktor, der die psychische Gesundheit maßgeblich beeinflusst, ist die körperliche Gesundheit. Wer sich im eigenen Körper wohlfühlt, der wird weniger leicht aus der Bahn geworfen. Der Erhalt oder die Wiedererlangung der Gesundheit und Fitness ist nicht optional. Denk mal darüber nach, wie es bei Dir mit folgenden Faktoren aussieht:
- Wie ist Dein allgemeiner Gesundheitszustand?
- Bist Du fit und leistungsfähig?
- Fühlst Du Dich mit Deinem Körpergewicht wohl?
- Ernährst Du Dich gesund und ausgewogen?
- Trinkst Du genug?
- Bist Du frei von Schmerzen?
Sollte eine oder mehrere Antworten auf diese Fragen für Dich unbefriedigend ausfallen, dann unternimm was. Geh raus, mach Sport, lass die Chips liegen. Lass Dich gegebenenfalls von einer Ärztin, einem Coach oder einer Trainerin unterstützen.
Ressourcen
Im Folgenden ein paar Tipps zu Ressourcen, die bei der Verbesserung und Aufrechterhaltung der psychischen Gesundheit helfen können.
Coaching
Ein*e Coach hilft Dir, Deine eigenen Ressourcen kennenzulernen und zu aktivieren. Der Umgang mit stressigen oder belastenden Situationen kann mit ihr/ihm geübt werden. Coaching ist ein hervorragendes Mittel zur Prävention von psychischen Belastungen und Meisterung von Krisen. Wenn der Burnout allerdings schon manifestiert ist, dann kommt Coaching an seine Grenzen und es ist Zeit für eine Psychotherapie.
Resilienztraining
Zu Hochzeiten der Pandemie, habe ich mit meinem Team ein Seminar zum Thema Resilienz durchgeführt. Meine Kolleg*innen und ich haben gelernt, was es bedeutet resilient zu sein und was man tun kann, um die eigene Resilienz zu verbessern. Ob es einen nachhaltigen Effekt für alle Teilnehmer*innen hatte, finde ich schwer bewertbar. Ich konnte aber selbst einiges mitnehmen und kann es empfehlen.
Bücher usw.
Wer gerne liest, findet hundertfach Unterstützung durch hervorragende Ratgeberbücher und Entspannung durch Belletristik. Für jede Herausforderung findet sich ein Buch mit einem Lösungsweg. Ein paar Bücher, die mir gut getan haben und konkrete Veränderungen bei mir bewirkt haben sind
- „Wherever You Go, There You Are“ von Jon Kabat-Zinn.
- „Der Mönch, der seinen Ferrari verkaufte“ von Robin Sharma.
- „Die 7 Wege zur Effektivität“ von Stephen R. Covey.
- „Siddharta“ von Hermann Hesse.
Mehr gute Bücher findest Du auf meiner Bücherliste.
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Ein Tool für Unternehmen
Im folgenden Absatz mache ich ein wenig unbezahlte Werbung für das Startup eines Bekannten, Julian Mair. Ich finde es super, wie die drei Gründer aus eigener Erfahrung ein Problem erkannt haben und nun eine Lösung anbieten.
Wellsome hat es sich zur Aufgabe gemacht, ein Tool für Unternehmen anzubieten, um die geistige Gesundheit der Mitarbeiter*innen zu verbessern. Der Zustand der Mitarbeiter*innen wird anhand einfacher Fragen bewertet und sie bekommen dann maßgeschneiderte Inhalte angeboten, um sich zu verbessern. Außerdem löst Wellsome ein Problem vieler nationaler Gesundheitssysteme: Der Zugang zu Psychotherapeuten wird erheblich vereinfacht. Die Mitarbeiter*innen haben auf einfachste Weise die Möglichkeit, Leistungen von Psychotherapeuten in Anspruch zu nehmen, lange bevor sie ernsthaft erkranken.
Datenschutz und Vertraulichkeit sind bei allen Gesundheitsfragen besonders sensible Themen. Laut Julian sind sie in Wellsome „by Design“ integriert.
Zusammenfassung
Die psychische Gesundheit ist genau so wichtig wie die körperliche Gesundheit. Dennoch wird sie oft noch weniger ernst genommen. Mach was dagegen. Für Dich selbst und für andere. Wenn Du Führungskraft bist, dann nimm Deine Verantwortung für Deine Mitarbeiter*innen wahr und achte auf sie. Ermutige sie, in ihren Rücksprachen offen über Belastungen zu sprechen und hilf ihnen, wenn sie nicht mehr können. Und wenn auch noch so viel Arbeit da ist. Am Schluss zählt die Gesundheit. Wer auf Prävention und Ressourcenstärkung setzt, kommt seltener in die Situation sich mit Krisenmanagement beschäftigen zu müssen.
Wenn Du Fragen, Themenwünsche oder Feedback hast, schreibe mir sehr gerne oder hinterlasse einen Kommentar. Danke, dass Du meinen Blog liest 🙂