New Work

Glückliche Schweine im New Work Homeoffice
New Work ist nicht einfach die nächste Sau, die durchs Dorf getrieben wird.

In meinem Team steht ein Veränderungsprozess an. Wir arbeiten seit dem Beginn von Corona auf die gleiche Art. Auf eine Art, die sich irgendwie eingestellt hat, ohne dass wir sehr bewusst darüber nachgedacht haben. Nun ist der Moment gekommen, um etwas zu verändern und gemeinsam einen neuen Modus der Zusammenarbeit zu finden. Irgendwie reden momentan alle über New Work. Um Klarheit zu gewinnen, was das für mich und mein Team bedeuten könnte, habe ich meine Gedanken zum Thema aufgeschrieben.

Warum?

Wozu war New Work nochmal gut? Geld verdienen hat doch auch früher schon ganz brauchbar geklappt…

Jaja, aber die Welt hat sich weitergedreht. Ich selbst habe keine Lust mehr, einfach meine Zeit gegen Geld zu tauschen. Dafür ist mein Leben zu kurz.

Darf sich Arbeit wie Arbeit anfühlen, wenn man nur genug Geld dafür bekommt? Klar wird es in jedem Job anstrengende Phasen geben und nicht alle Aufgaben sind gleich toll und Sinn stiftend. Aber grundsätzlich bin ich der Meinung, dass wir Arbeit so gestalten sollten, dass sie uns nicht belastet, sondern Freude bereitet, Energie gibt und sich vor allem nicht wie verschwendete Lebenszeit anfühlt.

Also, nicht den Tag über „schuften“ und dann abends schlecht gelaunt und müde auf die Couch fallen. Lieber den Tag über mit Dingen verbringen, die man kann, die man lernen will, die Spaß machen und dabei am besten noch mit Menschen in Kontakt sein, die man mag und die am gleichen Strang ziehen.

Wenn ich Dinge mache, die mich erfüllen und dabei in Verbindung mit Menschen bin, dann bin ich am Abend müde, aber dennoch nicht ausgelaugt. Ich bin voller Energie und Freude über einen guten Tag. Arbeit soll stärken, nicht schwächen.

Auch hat New Work für den Vater des Begriffs, Dr. Frihtjof Bergmann, nicht nur den Aspekt dass Arbeit als sinnvoll oder gar sinnstiftend empfunden werden soll. Er geht auch auf den Aspekt der Nachhaltigkeit ein. Wir arbeiten momentan für ein den Planeten zerstörendes Wirtschaftswachstum. Dafür gilt es einen Gegenentwurf zu finden.

Für mich ist New Work alles, was unsere Arbeit in diese Richtung bringt.

Das gute an Corona ist, dass uns die Pandemie wachgerüttelt hat. Wir haben auf eine andere Art gearbeitet und haben gemerkt, dass diese Art Vorteile hat. Hätte es keine Pandemie gegeben, die uns zu Veränderung gezwungen hat, hätten wir vielleicht noch viel länger im alten, eingeschliffenen Modus weitergemacht. Für mich ist das eindeutig das Gute im Schlechten. Corona hat für viel Leid und Entbehrungen gesorgt, war aber am Schluss auch für etwas gut.

Wo?

Für mich ist ein zentraler Aspekt von New Work das Wo. Wo arbeiten wir? Welchen Zweck haben Arbeitsorte?

Die Büropflicht hat aus meiner Sicht ausgedient. Ist vielleicht noch nicht überall angekommen, aber wer als Arbeitgeber „Homeoffice nach Absprache“ anbietet, verspielt erst mal einen Haufen Attraktivitätspunkte. Die Devise lautet: Arbeite von wo Du willst.

Kann sein, dass da der Gesetzgeber noch ein bisschen nachbessern muss. Trotzdem ist es aus meiner Sicht eine schlechte Ausrede die Büropflicht auf die gesetzlichen Bestimmungen zu schieben.

Was ich sofort zugebe, ist, dass die Umsetzung von „Work from anywhere“ ein bisschen Zeit und Energie kostet. Auch dafür braucht es Infrastruktur, Richtlinien und das richtige Mindset.

Im „Büro“

Das Büro habe ich in Anführungsstriche gesetzt. Ich bin der festen Überzeugung, dass Einzel- oder Zweierbüros so ziemlich ausgedient haben. Von dieser Regel gibt es sicher ein paar Ausnahmen, aber sogar ich als (introvertierte) Führungskraft möchte keins mehr haben. Auch ein Büro mit nur einer Person zu teilen, wäre für mich zu wenig. Der Firmenstandort sollte ein Ort der Begegnung werden. Ein Ort, der uns anzieht und kein Ort, an den wir uns begeben müssen.

Das kann ich nicht genug betonen. Das New Work taugliche Büro ist so gestaltet, dass die Leute kommen. Auch wenn sie nicht müssen.

Um wirklich attraktiv zu sein, sollten verschiedene Bedürfnisse erfüllt werden:

  • Begegnungsorte zum informellen Austausch.
  • Räume für intensive Meetings mit unterschiedlichen Gruppengrößen. Mit Infrastruktur für hybride Zusammenarbeit.
  • Attraktive Büroflächen.
  • Rückzugsorte, um konzentriert zu arbeiten, zu telefonieren oder vertrauliche Gespräche zu führen.
  • Alles drum herum. Sitzsäcke, Kantine, guter Kaffee, Obstkorb, Kicker, Ladesäulen, Fahrradwerkstatt… Ich könnte noch ein bisschen so weitermachen.

Zu Hause

Wie viele andere, habe ich gemerkt, dass ich meinen Job im großen und ganzen hervorragend von zu Hause erledigen kann. Hier kann ich konzentriert Dinge wegarbeiten. Auch vertrauliche Gespräche sind per Videokonferenz sehr gut machbar. Dafür braucht es kein Einzelbüro in der Firma.

Pendelzeiten fallen weg, man hat mehr Freizeit und damit auch mehr Zeit für die Familie. Die Umwelt wird geschont und man gibt sein Geld nicht für den ÖPNV oder das Auto aus.

Auch die Firmengebäude können schrumpfen. Zumindest, wenn man nicht für jede*n Mitarbeiter*in einen festen Schreibtisch vorsieht, auch wenn sie da selten ist.

Wenn man zu Hause arbeitet, ist die Abgrenzung wichtig. Entweder man betritt das Arbeitszimmer nach Dienstschluss nicht mehr oder der Laptop wird weggepackt, wenn man sein Tagwerk vollbracht hat. Wenn die Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit zu sehr verschwimmen, ist es sehr schwierig, wieder runterzukommen und zu entspannen. Selbstverständlich hat New Work auch Schattenseiten.

Mobil

Mobile Arbeit erweitert den Horizont. Wenn man seinen Job von unterwegs macht, kann man sich gar nicht wehren, neue Eindrücke zu bekommen. Ob aus dem Zug, dem Cafe in der eigenen Stadt oder dem Hotelzimmer auf Bali, für viele Dinge reicht der Laptop mit einer stabilen und ausreichend schnellen Internetverbindung.

Auch hier gibt es noch bürokratische Hürden. Man müsste jedes Land, aus dem ein Arbeitnehmer arbeiten will, einzeln bewerten und aus Compliance-Sicht betrachten. Informationssicherheit, Datenschutz und steuerliche Aspekte versalzen in manchen Ländern die Mobilarbeits-Suppe.

Aber immerhin aus den meisten EU-Ländern kann man problemlos für seine deutsche Firma arbeiten ohne viel beachten zu müssen.

So ist es zum Beispiel möglich, den Familienurlaub auf Malle durch eine Woche „Workation“ zu verlängern.

Wie?

Nicht nur die Arbeitsorte ändern sich. Auch die Art, wie wir unsere Aufgaben erledigen, ist anders als im „Old Work“.

Agil

Agiles arbeiten gehört für mich zu New Work. Für mich bedeutet agil unter anderem

  • Ständig zu überprüfen, ob die Art, wie man arbeitet, noch passt.
  • Selbstorganisation. Das Team bestimmt, welche Aufgaben sie in welcher Reihenfolge und auf welche Art erledigen, um ein Ziel zu erreichen.
  • Das Ziel hat das Team optimalerweise auch selbst festgelegt.
  • Die Nutzung von Tools, die die Abstimmung erleichtern und den Fortschritt darstellen.
  • Entscheidungen nach dem Subsidiaritätsprinzip.

Selbstbestimmtheit fördert das Gefühl von Selbstwirksamkeit. Und das ist ein entscheidender Faktor, um die Arbeit so zu gestalten, dass sie als sinnvoll empfunden wird.

Asynchron

9 to 5 hat ausgedient. Die eine arbeitet lieber bis spät in die Nacht, der andere beginnt seinen Tag, wenn die meisten noch schlafen. Warum auch nicht? Wenn jeder seinem eigenen Rhythmus folgt, steigt die Produktivität. Außerdem wird die Vereinbarkeit von Arbeit mit dem restlichen Leben deutlich verbessert. Zwischen 10:00 Uhr und 15:00 Uhr sind dann trotzdem die meisten anzutreffen. Das Zeitfenster der Erreichbarkeit für Kunden wird vergrößert und mit den richtigen Tools lässt sich hervorragend asynchron zusammenarbeiten.

Die Rolle der Führungskraft

Auch die Rolle der Führungskraft ändert sich deutlich. Aus meiner Sicht braucht es keine disziplinarischen Vorgesetzten vom klassischen Zuschnitt mehr, bei denen die Fäden für alle Entscheidungen zusammelaufen. Die Führungskraft ist eher eine Art Coach, die die Entwicklung des Teams und der einzelnen Mitarbeiter im Auge hat und sie dabei unterstützt.

Auch kann die Führungskraft bei der Entwicklung der Ziele helfen und mitwirken. Aus meiner Sicht ist es jedoch besser, wenn sie nicht einfach vorgegeben werden.

Ihr Wissen zu Prozessen und Strukturen kann die Führungskraft auch weiterhin sehr gut einbringen.

Und wenn es den einen oder anderen Konflikt gibt — New Work hat nämlich nichts mit Ponyhof zu tun — dann kann auch hier eine Führungskraft helfen und vermitteln.

Unterm Strich bin ich der Meinung, dass die Aufgaben von Führungskräften für New Work etwas anders zugeschnitten sein sollten als bisher. Daraus folgt, dass es auch hier Weiterentwicklung braucht. Viele von uns werden an ihrer Einstellung und ihren Fähigkeiten arbeiten müssen.

Zum Thema New Work und Führung werde ich vermutlich demnächst noch einen Blogpost schreiben.

Was gibt es zu tun?

Zuerst gilt es mal im Kopf aufzuräumen. Welche Voraussetzungen für New Work sind schon vorhanden? Welche fehlen noch? Klar ist, dass New Work nicht von einem Tag auf den anderen angeordnet werden kann. Das ist ein Change-Prozess, für den es schon ein wenig Geduld braucht.

Es reicht auch nicht Sitzsäcke hinzuwerfen und den Mitarbeiter*innen ihre festen Schreibtische wegzunehmen. Gerade das Wegnehmen wäre ein falscher Schritt. Es gilt, die Mitarbeiter*innen mitzunehmen, auf die Reise zur neuen Arbeit.

Patentrezept dazu habe ich keins. Aber ich bin sicher, dass wir den Schwung, den das Thema durch die Pandemie erhalten hat, mitnehmen sollten. Bevor sich wieder alle an ihren staubigen aber kuscheligen Schreibtischen im Zweierbüro eingefunden haben und die Chefs gut finden, dass alle wieder da sind.

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