Im Gleichgewicht, in Bewegung.

Balance Board

Um mein verletztes Knie zu stabilisieren, hat mir meine Physiotherapeutin ein Balance Board “verschrieben“. Während ich damit geübt habe, ist mir der Gedanke gekommen, dass das Balance Board gar keine schlechte Metapher für das Leben ist. Im Gleichgewicht still zu halten bedeutet — gerade am Anfang — größere Anstrengung. Es sind permanente kleine Ausgleichsbewegungen notwendig. Wenn man das Gleichgewicht kurz verliert, weil man abgelenkt ist oder eine unbedachte Bewegung macht, ist der Aufwand schon größer, wieder in Balance zu kommen.

Gleichgewicht bedeutet auch sonst niemals Stillstand. Um im Gleichgewicht zu sein, muss ich in Bewegung bleiben. Im Leben gibt es kein statisches Gleichgewicht. Es passieren immer Dinge, die das Gleichgewicht stören. Zu wenig Schlaf, zu viele Termine, Krankheit, Verletzungen, kaputte Waschmaschinen, Steuererklärungen. Wenn so ein Ereignis eintritt, dann gilt es Maßnahmen zu ergreifen, um das Gleichgewicht möglichst schnell wieder herzustellen.

Mir sind natürlich wieder zuerst Dinge eingefallen, die ich als negativ empfinde. Allerdings können auch sehr positive Dinge das Gleichgewicht erheblich stören. Kinder zum Beispiel, Reisen, ein neuer, aufregender Job, ein*e neue*r Partner*in…

Die Mitte kennen

Um zu wissen, ob man sich im Gleichgewicht befindet, muss man erst mal wissen, was das für einen bedeutet. Man muss sozusagen wissen, wo der eigene Schwerpunkt ist. Was ist Dein richtiges Maß an Ruhe und Bewegung? Brauchst Du ein bisschen Stress und Adrenalin, um Dich wohl zu fühlen und in Deiner Mitte zu sein? Wie viel geistige Anregung ist gut? Was ist für Dich das richtige Maß an sozialen Kontakten? Wie viel Zeit allein tut Dir gut? Wie viel Neues brauchst Du? In welchen Bereichen hältst Du Dich lieber an Bewährtes?

Nur wer sich seiner Mitte bewusst ist, kann auch aktiv ein Gleichgewicht herstellen. Dabei ist es essentiell, dass man weiß, was der Kern ist, was wirklich wichtig ist. Wenn es mir wichtig ist, zu laufen, dann bringt mich eine Knieverletzung schon sehr weit weg von der Mitte. Wenn es mir hingegen wichtig ist, mich zu bewegen, dann gibt es viele weitere Möglichkeiten, die Mitte wieder zu finden, wenn Laufen nicht möglich ist.

Gleichgewicht muss sich einstellen

Wenn man mal aus dem Gleichgewicht kommt, dann dauert es eine Zeit, bis es sich wieder eingestellt hat. Meistens geht das nicht ohne Anstrengung und etwas Geduld.

Ein einfaches Beispiel: Du bist Sportler und verletzt Dich.

  • Die Tagesabläufe sind plötzlich anders, weil das Training wegfällt.
  • Du kannst Deiner Lieblingsbeschäftigung nicht nachgehen.
  • Deine Muskulatur kommt auch aus dem Gleichgewicht und verursacht Dir zusätzliche Probleme.
  • Dir fehlt allgemein die Bewegung.

Und so weiter. Auf all diese Dinge solltest Du Dich einstellen. Ein bisschen Frust und Ärger helfen dabei, das Gleichgewicht wieder zu finden. Sie sorgen für den nötigen Veränderungsdruck. Sobald mir auffällt, dass ich mich ärgere, bin ich meistens schon fast wieder aus der Frustration raus und kann mit der Anpassung beginnen.

Gleichgewicht außerhalb der Mitte

Bei dem Beispiel oben wird es nötig sein, vorübergehend ein Gleichgewicht außerhalb der Mitte herzustellen, die diese Person vermutlich für sich definiert hat. Jemand, der sich als Sportler sieht und zuversichtlich ist, bald wieder Sport machen zu können, wird versuchen, während die Verletzung ausheilt, einen Zustand herzustellen, der erträglich ist. Wohlwissend, dass es nicht der Optimalzustand ist. Mit was kann ich meine Tage sinnvoll füllen, während ich keinen Sport machen kann? Welche Übungen kann ich machen, damit mit der Wiedereinstieg ins Training leicht fällt? Wie kann ich den nicht optimalen Zustand möglichst kurz halten?

Diese Überlegungen und erst recht die Aufnahme der vorübergehenden Tätigkeiten kosten Energie. Genauso die Aufrechterhaltung des neuen Gleichgewichts.

Sobald dann die Umstände wieder weg sind, die denOptimalzustand verhindert haben, kann dieser wieder hergestellt werden. Ein weiteres Beispiel dafür ist der Berufswiedereinstieg nach längerer Krankheit oder — viel erfreulicher — nach einer ausgedehnten Elternzeit. Um schneller durchstarten zu können, kann hier ein Coaching sehr hilfreich sein.

Anpassung

Und dann gibt es auch Situationen, in denen es nicht (mehr) möglich ist, das herzustellen, was man als sein Gleichgewicht definiert hat. Aus Altersgründen, weil man plötzlich und unerwartet von diversen Kindern gebraucht wird, weil man seinen Job verliert oder weil die Verletzung trotz aller Bemühungen nicht so ausheilt, wie man gehofft hat.

Zum Glück ist es jederzeit möglich, eine neue Mitte zu finden. Das kann sehr anstrengend sein, weil es notwendig ist, viele Gewohnheiten zu ändern und starke Überzeugungen zu hinterfragen. Bei so einem Unterfangen ist es gar keine schlechte Idee, wenn man sich Unterstützung holt. Zum Beispiel von einem Coach. 🙂

Verweise

Dieser Blogpost ist sozusagen eine Vertiefung von einem Aspekt, den ich im Post „Was ich beim Sport fürs Leben gelernt habe“ im Absatz „Nichts ist für immer“ schon mal erwähnt habe.

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