
Immer wieder beobachte ich in meinen unterschiedlichen Rollen, dass es vielen Menschen nicht gut gelingt, konstruktiv mit Gefühlen umzugehen. Das gilt für ihre eigenen und die anderer Menschen.
Dafür gibt es viele Gründe. Die beiden, die oft im Vordergrund stehen sind:
- Kindheit und Sozialisation. Viele von uns haben als Kinder gelernt, dass unsere Gefühle nicht wichtig sind. Oder zumindest weniger wichtig, als die der anderen.
- Überbetonung der Sachebene. Als Deutscher Ingenieur™️ weiß ich davon ein Lied zu singen. Wir sind es gewohnt, Probleme nur auf der Sachebene zu betrachten und zu lösen. Dass dieser Ansatz oft zum Scheitern verurteilt ist, blenden viele aus und wollen es nicht so recht wahr haben.
Wenn man mit Gefühlen umzugehen weiß und sie berücksichtigt, wird auf der einen Seite vieles einfacher. Auf der anderen kommt eine Komplexitätsebene hinzu. Sie zu ignorieren führt aber zu —dann unerklärlichen— Problemen und am Schluss auch zu Gesundheitsschäden.
Um ein bisschen Bewusstsein dafür zu schaffen, habe ich mich entschieden diesem Thema ein paar Blogposts zu widmen.
Gefühlskompetenz
Gefühle wie Wut, Freude, Liebe, Hass, Verzweiflung, Angst… haben wir alle. Unser Zugang dazu ist unterschiedlich gut. Manche Menschen können sehr gut mit ihren Gefühlen umgehen. Sie nehmen sie wahr, wissen sie einzuordnen, kennen den Auslöser oder haben Strategien, wie sie ihn finden können. Außerdem wissen sie, was zu tun ist, wenn sie bestimmte Gefühle bemerken. Gefühle sind nichts anderes als Hinweise auf Bedürfnisse, die erfüllt werden wollen.
Andere haben diesen Zugang nicht. Sie ignorieren ihre eigenen Gefühle und damit auch oft ihre Bedürfnisse. Das führt auf Dauer zu gesundheitlichen Problemen. Zuerst oft zu unerklärlichen Kopf- Rücken- oder Bauchschmerzen und später dann zu ernsten (psychosomatischen) Erkrankungen.
Wenn man die Gefühle seiner Mitmenschen ignoriert, führt das zu Konflikten oder die Lösung von Problemen wird be- oder verhindert.
Eine zweite Ebene ist das Auslösen von Gefühlen. Jemand mit hoher Gefühlskompetenz scheut sich nicht, bei seinem Gegenüber Gefühle auszulösen, wenn das einem Zweck dienlich ist. Du willst Veränderung bewirken? Sorge dafür, dass bei Deinem Gegenüber Freude und Begeisterung entsteht. Wahlweise auch Wut, Ärger oder Trauer. Aber… Ist das nicht Manipulation? Das kommt darauf an, wie Du es einsetzt. Unterstützt Du die Selbsterkenntnis und ein gemeinsames Ziel oder verfolgst Du Deine Zwecke? Empathie ist hier unerlässlich. Außerdem ist es extrem wichtig, dass Du weißt, wie Du mit den ausgelösten Gefühlen umgehen kannst.
Deine Gefühle
Bevor Du Dich um die Gefühle der anderen kümmern kannst, ist es wichtig, dass Du mit Deinen eigenen klar kommst. Wie sieht es damit aus? Hast Du welche? Fangfrage. Natürlich hast Du welche. Aber bemerkst Du sie auch und weißt Du, was Du damit machst?
Zugang zu Deinen Gefühlen finden
Wie fühlst Du Dich gerade? Kannst Du darauf eine differenzierte Antwort geben? Wenn ja, dann kannst Du diesen Absatz überspringen 😉.
Jedes Gefühl löst körperliche Empfindungen aus. Am einfachsten ist das am Beispiel von (starker) Angst nachvollziehbar: Dein Herz schlägt schneller, es bildet sich kalter Schweiß, Deine Hände zittern. Genau so sind auch andere Gefühle durch Körperreaktionen repräsentiert. Diese nehmen wir allerdings nicht immer so deutlich wahr. Wir haben uns abgewöhnt — oder gar nicht erst richtig angewöhnt —, ihnen Beachtung zu schenken.
Jedoch ist das nichts, was man nicht üben könnte. Es ist recht einfach, im ersten Schritt bewusst auszuprobieren, wie sich „gut“ und „schlecht“ anfühlen. Ich empfehle, mit „schlecht“ zu starten und hier nicht zu tief einzusteigen, damit Du dann mit einem guten Gefühl aus der Übung herauskommst.
Stelle Dir mit allen Sinnen eine Situation vor, in der Du Dich zum Beispiel traurig (hilflos, ängstlich) gefühlt hast. Wo warst Du? Was hast Du gesehen? Was hast Du gehört? Was gerochen? Was kannst Du nun spüren? Wo im Körper sitzt die Empfindung? Spürst Du irgendwo einen Druck oder ein Engegefühl? Wie ist Deine Atmung? Flacher oder schneller als sonst?
Schüttle nun das schlechte Gefühl ab. Es ist nur aus Deiner Vorstellung entstanden. Es gibt also keinen Grund, daran festzuhalten.
Nachdem Du nun weißt, wie sich „schlecht“ anfühlt, suche Dir eine Situation aus, die sich für Dich gut anfühlt. Eine, in der Du Freude empfunden hast und in der Du Dich gut gefühlt hast. Verfahre hier genauso wie beim schlechten Gefühl. Hier darfst Du Dich tiefer einfühlen. Druck oder Enge wirst Du hier eher nicht spüren. 🙂
Nun kannst Du direkt vergleichen, wo und wie Du beides gefühlt hast und hast die Chance, die Gefühle wieder zu erkennen.
Wut an sich ist übrigens erst mal kein schlechtes Gefühl. Stark vereinfacht gesagt, deutet Wut auf andere Gefühle hin, die missachtet wurden. Sie gibt aber auch Energie. Meine Wertschätzung hat sie sich damit verdient.
Wenn Du Deinen Körper schon dabei hast, kannst Du ihn auch nutzen.
Dieses Zitat stammt von Dr. Gunther Schmidt, dem Begründer der hypnosystemischen Therapie.
So wie Du Gefühle körperlich wahrnehmen kannst, so kannst Du auch Deinen Körper nutzen, um Deine Gefühle zu steuern. Du lächelst, wenn Du Dich gut fühlst. Also kannst Du auch lächeln, um Dich gut zu fühlen.
Um Dich stark zu fühlen, richte Dich auf. Schultern nach hinten. Kopf hoch.
Wenn Du ein bisschen Aggression brauchst, kneife die Augen zusammen und balle die Fäuste. Du hast richtig gelesen. In manchen Situationen ist ein aggressiver Auftritt hilfreich und gibt Dir und der Situation die Energie, die Du brauchst.
Wenn Du die körperliche Entsprechung eines Gefühls kennst, dann kannst Du viele Gefühle auch durch das Herbeiführen dieser Empfindungen auslösen.
Meditation und Achtsamkeit
Auch Meditation unterstützt Dich dabei, den Zugang zu Deinen Gefühlen zu finden. Wenn Du sitzt, bist Du mit Dir und Deinen Gefühlen allein. Du wirst nicht daran vorbeikommen, sie wahrzunehmen. Erst vielleicht nur als Störung, aber bald wirst Du auch verstehen, wo sie herkommen.
Meditation trainiert Deine Achtsamkeit. Und das ist es, was Du brauchst, um Gefühle zu bemerken und nachforschen zu können, wo sie herkommen. Dieses komische Gefühl im Bauch, das gerade noch nicht da war. Dieser plötzliche Energieschub. Diese langsam in Dir aufsteigende Beklemmung. Die muss man erst mal bemerken. Und dann weißt Du noch lange nicht, wo es herkommt.
Da Meditation manchmal vorhandene Gefühle verstärkt, kann sie auch eine Depression verstärken. Wenn Du darunter leidest, ist hier Vorsicht geboten.
Glaube nicht alles was Du fühlst.
Was mir hierzu alles einfällt, sprengt die Grenzen eines Blogposts. Darum sei hier nur so viel gesagt:
Du musst Dich auf Gefühle nicht einlassen und kannst sie verändern. Ja, Gefühle entstehen oft spontan. Aber wie Steven Covey schon so schön gesagt hat: „Zwischen Reiz und Reaktion liegt ein Raum. In diesem Raum liegt unsere Macht zur Wahl unserer Reaktion.“ — Das gilt auch für Gefühle. Wenn Du es schaffst, aufkeimende Gefühle zu bemerken, dann kannst Du sie verändern und hinterfragen. Du bist ihnen nicht ausgeliefert.
Angebot
Wenn Du einen besseren Umgang mit Deinen Gefühlen lernen möchtest und Dir dabei Unterstützung wünschst, sprich mich gerne an. 🙂