
Wo habe ich das größte Gefühl von Freiheit? In einer Situation, in der ich extrem wenige Handlungsmöglichkeiten habe. Beim Klettern gibt es oft nur einen Weg, der nicht die Gesundheit oder gar das Leben gefährdet. Und trotzdem fühle ich mich in solchen Situationen so frei wie sonst nie. Wie kann das sein? Und was hat das mit dem Arbeitsleben oder der beruflichen Orientierung zu tun?
Die Freiheit in den Bergen
Warum fühlen sich viele Menschen, die sich in gefährlichen Umgebungen bewegen – und dort extrem eingeschränkte Handlungsmöglichkeiten haben – frei? Weil Fähigkeiten, Möglichkeiten und Akzeptanz der Umweltbedingungen im Einklang sind. Wenn ich in die Berge gehe, entscheide ich mich für Touren, die vom Schwierigkeitsgrad her meinen Fähigkeiten entsprechen. Oft sind sie leicht außerhalb meiner Komfortzone. Das verstärkt das Gefühl der Wirksamkeit. Schwierigkeitsgrad, Streckenlänge, Höhenmeter. Alles wähle ich so, dass mir am Abend alles weh tut, ich aber ein gutes Gefühl habe, weil ich etwas geschafft habe. Ich wähle keine Tour, von der klar ist, dass ich sie nicht schaffen kann. Wenn sich die Bedingungen ändern, dann hadere ich nicht mit der Situation. Ich weiß genau: Mit dem Wetter im Gebirge ist nicht zu spaßen. Ich bin vielleicht ein bisschen traurig, aber ich akzeptiere es. Wenn ich in die Berge gehe, weiß ich genau, wo meine Freiheitsgrade liegen und wo meine Freiheit endet. Ich will das tun, was die Umstände erfordern. Ich will den nächsten Kletterzug so und nicht anders machen, ich will genau hier den Standplatz einrichten und ich will die Tour abbrechen, wenn ein Gewitter aufzieht.
Aufgrund meiner Erfahrung und meiner Fähigkeiten, komme ich in diesem auf mich, meine Kletterpartner und die Umweltbedingungen reduzierten System besonders gut klar und das Gefühl von Freiheit stellt sich ein. Das hat schon Epiktet, einer der Stoiker und ehemaliger Sklave vor fast 2000 Jahren gut auf den Punkt gebracht: Wenn Freiheit darin besteht zu bekommen was man will, dann bedeutet frei zu sein, das zu wollen, was man auch bekommen kann. Das ist der Geisteszustand, den ich und viele andere in den Bergen relativ leicht erreichen können. Freiheit in den Bergen ist keine absolute Handlungsfreiheit, sondern bedeutet Selbstbestimmung und Eigenverantwortung im Einklang mit den Umweltbedingungen.

Freiheit im Kontext der Organisation
Als jemand, der diese Art von Freiheit liebt, hadere ich immer mal wieder mit der Unfreiheit, die ich in Organisationen erlebe. Hier ist die Lage nicht so klar und es ist deutlich schwieriger zu erkennen, in welchen Bereichen ich verantwortlich bin, wo ich selbstbestimmt handeln kann und wo meine Handlungsoptionen eingeschränkt sind. Hier verdeutlicht am Beispiel der Einführung eines neuen Software-Tools:
- Darf ich über die Einführung selbst entscheiden? Will mein Chef mitreden? Oder gar selbst die Entscheidung treffen?
- Darf ich es überhaupt einführen? Verstoße ich damit gegen Richtlinien?
- Handle ich gesetzeskonform? Kenne ich alle Gesetze, die ich befolgen muss, wenn ich dieses Tool einführe? Datenschutz, Exportkontrolle…
- Wenn ich dieses Tool einführen will, wen muss ich fragen? Wem steige ich damit auf die Füße?
- Welche Rahmenbedingungen gibt es noch? Passt das Tool zur aktuellen Anwendungsarchitektur? Haben wir genug Kapazitäten wie Internetleitung, Rechenzentrum…? Ist das Tool auf unseren Clients lauffähig?
Meine Freiheit ist also deutlich eingeschränkt. Das Problem ist, dass ich nicht genau weiß, an welchen Stellen. Wo beim Klettern weitgehende Klarheit über die Grenzen meiner Freiheit herrscht, gibt es für mich im beruflichen Kontext viel Unklarheit und Unsicherheit.
Wie geht Freiheit im Job?
Um die eigene Freiheit oder besser gesagt das Freiheitsempfinden zu vergrößern, gibt es mehrere Ansatzpunkte. Das Ziel ist es, eine Umgebung zu schaffen, in der ich mich sicher fühle und weiß was zu tun ist. Die Grenzen meiner Freiheit sind mir bewusst und ich akzeptiere sie. Ich will das, was ich auch bekommen kann.
Einschränkungen bewusst machen
Der erste Schritt ist, dass ich mir bewusst mache, wo mein Einflussbereich endet. Welche Regeln sind so unumstößlich wie das Wetter in den Bergen? Was ist für mich, in meiner aktuellen Rolle „höhere Gewalt“? Ein paar Beispiele.
- Gesetzliche Regelungen, die ich befolgen muss. Datenschutz, Steuerrecht, Rechnungslegung, Exportkontrolle, Kartellrecht, Arbeitsrecht… Da ist nichts dran zu rütteln und ich kann aufhören mich darüber zu ärgern.
- Die Kultur in meiner Firma werde ich, wenn überhaupt, auch nur sehr langsam ändern können.
- Wer muss wie viel mitreden, wenn ich Dinge entscheide? Vielleicht hilft für die unterschiedlichen Arten von Entscheidungen, die mich normalerweise betreffen, eine Runde Delegation Poker.
- Welche technischen Rahmenbedingungen existieren, die ich erst mal nicht ändern kann?
Diese Liste ist wahrscheinlich nicht vollständig und hängt davon ab, in welchem Umfeld man sich bewegt. Dass mir die Einschränkungen bewusst sind, ist der erste Schritt dazu, dass ich im Rahmen meiner Aufgabe Freiheit und Selbstwirksamkeit erleben kann.
Arbeitsteilung
Eine hervorragende Methode, um Unsicherheit zu minimieren und das Kompetenzempfinden aller Kolleg*innen in einem Unternehmen zu steigern, ist Arbeitsteilung. Jede*r macht seinen Job. Jede*r ist für sein Spezialgebiet verantwortlich. Die Juristen kümmern sich um Verträge, Arbeitsrecht und Datenschutz. Der CISO und sein Team um Informationssicherheit. Die Führungskräfte um die Mitarbeiter*innen, die Organisation der Arbeit und die Strategie. Und so weiter. Außerhalb meines Kernthemas muss ich mich nicht im Detail auskennen. Ich weiß, dass es jemanden gibt, den ich fragen kann und der sich darum kümmert. Genauso stehe ich meinen Kolleg*innen für Fragen in Bereichen zur Verfügung, für die ich Experte bin. Das entlastet ungemein und sorgt dafür, dass das Gefühl von Unsicherheit in den Hintergrund tritt.
Kompetenzaufbau
Wenn alle Stricke reißen und Arbeitsteilung nicht so möglich ist, wie ich es mir wünsche, dann kann ich immer noch Unsicherheit minimieren, indem ich Kompetenzen außerhalb meines Kerngebietes aufbaue. Ich kann niemanden um Hilfe bitten, aber ich kann mir selbst helfen. Das ist nicht ganz so effizient wie Arbeitsteilung, aber der zweitbeste Weg, die Unsicherheit zu minimieren. In gewissem Rahmen ist das immer eine gute Idee. Selbst wenn es kompetente Ansprechpartner im Unternehmen gibt, wegen jedem Mist will ich sie dann doch nicht behelligen. Auch das erhöht das Gefühl von Selbstwirksamkeit und somit das Empfinden von persönlicher Handlungsfreiheit.
Mindset
Woran ich immer arbeiten kann, ist an meinem Mindset. Wie viel Unsicherheit und Einschränkungen in meinem Einflussbereich kann ich ertragen? Das lässt sich trainieren. Stichwort Ambiguitätstoleranz.
Habe ich den richtigen Job?
Wie viel Freiheit und Selbstbestimmtheit jeder braucht, ist individuell unterschiedlich. Es gibt Menschen, die kommen mit Fremdbestimmung besser klar als andere. Viele wünschen sie sich sogar und sind zufrieden, wenn es jemanden gibt, der ihnen sagt, wie sie ihren Job zu machen haben. Anderen ist sie ein Graus. Sie brauchen Gestaltungsspielraum und Handlungsfreiheit. Meiner Erfahrung nach sind das extrem wichtige Faktoren, die die Zufriedenheit mit dem Job maßgeblich beeinflussen.
Alles was ich oben geschrieben habe, hat Grenzen. Manchmal funktioniert das Umfeld im Unternehmen nicht so, wie ich es mir wünsche. Arbeitsteilung ist nicht möglich, der Kompetenzaufbau wird erschwert, es gibt Silos und Kolleg*innen, die mir das Leben schwer machen.
Am Schluss bleibt es eine Frage der Passung. Stimmt diese überhaupt nicht, dann ist der nötige Energieaufwand sie herzustellen oft so hoch, dass sich der Aufwand nicht lohnt. Was nützt es mir, wenn ich meine gesamte Energie dafür aufwende, mich an ein Umfeld anzupassen, das von meinem Ideal meilenweit entfernt ist? Irgendwo gibt es den Job, die Firma, die zu mir passt.
Wie ich Dir helfen kann
Um Dein Freiheitsempfinden im beruflichen Kontext zu verbessern, haben wir viele Möglichkeiten. Eine davon ist die Analyse Deines Einflussbereiches und das Erarbeiten von Ideen, wie Du ihn vergrößern kannst. Zusammen können wir herausfinden, welche Kompetenzen Du wirklich benötigst, um Selbstwirksamkeit im Job zu erleben. Du kannst mit meiner Hilfe auch an Deinem Mindset arbeiten.
Und wenn alle Stricke reißen und Du in Deinem aktuellen Job nicht das minimale Gefühl von Selbstbestimmtheit und Handlungsfreiheit erreichst, das Du brauchst um zufrieden zu sein, dann helfe ich Dir dabei, Deinen neuen Traumjob zu finden.