
Im Rahmen meiner Coachingausbildung beschäftige ich mich gerade intensiv mit Fragen. Um selbst mehr Klarheit zu bekommen und das gelernte etwas zu festigen, habe ich aufgeschrieben, was mir wichtig ist. Warum nicht Dich, liebe*n Leser*in daran teilhaben lassen? 🙂
Fragen als Führungsinstrument
Durch Fragen bringt man sein Gegenüber zum Nachdenken. Sie sind meiner Meinung nach eins der besten Führungsinstrumente überhaupt. Wenn eine Person selbst auf eine Antwort kommt, dann ist der Effekt viel nachhaltiger, als wenn ihr einfach etwas erzählt oder gar angewiesen wird. Außerdem bekommt man als Führungskraft auf diese Art Lösungsvorschläge, die (manchmal, oft, meistens) viel besser sind, als die, die einem selbst in den Sinn kommen.
Echtes Interesse, das Gegenüber zu verstehen
Wer fragt, bekommt Antworten. Wer keine Antworten möchte oder nicht bereit ist, damit weiterzuarbeiten, der sollte gar nicht erst fragen. Letztendlich ist es eine Frage 😉 der Haltung. Fragen als Manipulationswerkzeug haben meiner Meinung nach in der Führung oder gar im Coaching nichts verloren.
Dazu gehört auch, dass man ganz bei seinem Gegenüber ist. Blickkontakt und aktives, empathisches Zuhören sind wichtig.
Offen, geschlossen und alles dazwischen
Eine offene Frage zielt auf eine ausführliche Antwort ab, eine geschlossene auf „Ja“ oder „Nein“. Dazwischen liegen Fragen, die die Auswahl mehrerer Optionen bieten. Den größten Effekt haben offene Fragen, da der Befragte am meisten über die Antwort nachdenken muss. Am wenigsten Denkarbeit ist bei geschlossenen Fragen nötig. Diese kann man einsetzen, um sich eine kurze Bestätigung einer Hypothese abzuholen, ein Thema einzuleiten, oder um zu klären, ob eine Zusammenfassung korrekt war. Hier jeweils ein Beispiel für die Fragetypen:
- Geschlossen: Magst Du Eis?
- Auswahl: Möchtest Du Vanille, Schokolade, Erdbeere oder Leberwurst?
- Offen: Wenn Du Dir vorstellst, Leberwursteis zu essen, was geht dann in Dir vor?
Ressourcenorientiert fragen
Ressourcenorientiert zu fragen bedeutet, dem Gegenüber Fragen zu stellen, die Fähigkeiten und Ressourcen in ihm aktivieren. Was das bedeutet, wird am schnellsten an ein paar Beispielen deutlich:
- Wann hast Du etwas ähnliches schon mal erlebt?
- Was hast Du damals gemacht, um das Problem zu lösen?
- Wen kennst Du, der schon mal in einer ähnlichen Situation war?
- Wie ist diese Person damit umgegangen?
- Wer könnte Dir helfen?
- Was hast Du bisher gemacht, um eine Lösung zu finden?
- Was davon hat besser funktioniert? Was schlechter?
- Woran würdest Du merken, dass Dein Problem weg ist?
Ressourcenorientiert fragen wird einfacher mit einer gewissen Grundhaltung: Die Person, die einem gegenüber sitzt ist voller Erfahrungen, Ressourcen und Lösungen, die nur ans Licht gebracht werden müssen.
Zirkuläre Fragen
Wenn Du Dir vorstellst ein Unternehmen zu gründen, dessen Geschäftsmodell der Vertrieb von Leberwursteis ist, was würde Deine Mutter dazu sagen?
Zirkulär bedeutet, dass man sich in eine Person hineinversetzt und Annahmen trifft, wie sie in einer Situation reagieren, was sie denken würde.
Zirkuläre Fragen nutzen dazu, das Gegenüber anzuregen, sich in eine andere Person hineinzuversetzen und einen Sachverhalt aus deren Perspektive zu betrachten. Man kann sie zum Beispiel nutzen um Konflikte zu bearbeiten. Außerdem ist sie nützlich, um Denkblockaden zu lösen: “Du sagst, Du kommst hier nicht weiter. Wie würde Deine Kollegin X die Situation bewerten?“
Skalenfragen
Auf einer Skala von eins bis zehn, wie lecker findest Du Leberwursteis? Eins bedeutet „abstoßend eklig“, zehn bedeutet „würde mir gut schmecken“.
Skalenfragen kann man auf vielfältige Art nutzen. Zum Beispiel
- Um herauszufinden, wo sich eine Person selbst sieht
- Um eine Differenz zwischen Selbst- und Fremdwahrnehmung einer Person deutlich zu machen: “Du sagst, Du siehst Dich bei Fünf. Ich sehe Dich schon bei Sieben!“
- Um herauszufinden, ob sich im Verlauf eines Gespräches etwas verändert hat, wenn man sie am Anfang und am Ende stellt.
- Um das Gegenüber anzuregen, in kleinen Schritten zu denken: „Was bräuchtest Du um im Bezug auf Leberwursteis von einer Zwei auf eine Vier zu kommen?“
Warum?
Warum kommst Du auf die Idee, Leberwursteis als Beispiel in einem Blogpost zu verwenden?
Diese Frage könnte man mir stellen. Wie klingt diese Frage? Sie ist berechtigt, aber ich würde mich vermutlich angegriffen fühlen. Simon Sinek stellt mit „Frag immer erst warum“ die Sinnfrage und hat damit auch in vielen Menschen die Suche nach ihrem „Warum“ ausgelöst. Jedoch ist das eher eine Frage die man sich selbst stellen sollte. Eine Frage für „Root Cause Analysen“ und Verhöre im Compliancekeller. Aber keine, die man im Führungsalltag (oder seinen Kindern gegenüber…) allzu oft verwenden sollte.
Warum eigentlich? Die Frage hat etwas von Verhör und drängt das Gegenüber in die Defensive. Wenn man betrachtet, wie sie klassischerweise eingesetzt wird, verwundert das nicht. Sie wird von Eltern, Lehrern und Vorgesetzten oft mit gerunzelter Stirn und vorwurfsvollem Tonfall verwendet.
Selbstverständlich muss man manchmal nach den Gründen für irgendetwas suchen. Es gibt sehr schöne Alternativen zum platten Warumfrage. Schon allein die Vermeidung des Wortes schwächt den negativen Effekt ab. Stattdessen kann man fragen:
- Was veranlasste Dich dazu…?
- Was war ausschlaggebend für…?
- Wie entwickelte sich…?
- Was ging … voraus?
- Worin siehst Du die Ursache für…?
Die beste aller Fragen
Die beste aller Fragen, ist die, die Du gerade schon mal gestellt hast. Vorausgesetzt, Du hast eine Antwort erhalten. Wenn man einfach nochmal nachfragt, ob da noch was ist, kommen meistens wichtige und spannende weitere Aspekte. Das Gegenüber wird außerdem zum Nachdenken angeregt. Bei der ersten Antwort kommt das Offensichtliche. Beim zweiten oder dritten “Was noch?“ muss man dann schon etwas tiefer in sich gehen und vielleicht sogar die Perspektive wechseln. Dabei kann man natürlich auch ein bisschen helfen. Zum Beispiel mit einer unterstützenden Frage, die den Perspektivwechsel erleichtert.
Übung
Der Dümmste kann mehr fragen als der Klügste beantworten kann. Aber so einfach ist es nicht. Kluge Fragen brauchen Übung, Offenheit, Empathie und Analysefähigkeit. Für diese Erkenntnis habe ich zugegebenermaßen etwas gebraucht.
Ich nutze momentan jede Gelegenheit, um das Fragen zu üben. Dabei fällt mir auf, dass viele eingeschliffene Muster wirklich schwer loszuwerden sind. Um zu zeigen, was ich für ein kluger und weitblickender Chef oder weiser Papa bin, habe ich natürlich immer gleich eine Lösung für jedes Problem parat und bin ganz heiß darauf, diese zu platzieren. Das führt unter anderem zu vielen geschlossenen Fragen. Manchmal auch dazu, dass ich gar nicht erst frage. Letztendlich führt es dazu, dass mein Gegenüber gar nicht dazu kommt, selbst über Lösungen nachzudenken oder ihre Lösung zu präsentieren. Solche Verhaltensweisen loszuwerden erfordert Achtsamkeit und Übung.
Soviel erst mal dazu. Wenn ich die nächste Stufe der Erleuchtung erreicht habe, schiebe ich gerne einen weiteren Blogpost zu diesem Thema nach.
Danke, dass Du mein Blog liest 🙂