Erwartungen

Schneefeldsprengungen sind im August nicht zu erwarten
Schneefeldsprengungen sind im August nicht zu erwarten.

„Erwartest Du von mir…?“, „Ich erwarte von Dir…“ — Diese Sätze können schon mal fallen zwischen Chef*in und Mitarbeiter*in. Unser Alltag ist geprägt von Erwartungen. Doch wie geht man damit richtig um? Ist es überhaupt hilfreich, welche zu haben?

Geprägt von unseren Erfahrungen, haben wir Erwartungen an unsere Mitmenschen. Das ist prinzipiell erst mal gut. Denn ohne sie, wüssten wir nicht, wie sich ein Gegenüber vermutlich verhalten wird und wären erst mal ahnungslos, wie wir uns verhalten sollen. Sie reduzieren die Komplexität unserer sozialen Systeme. Jedoch werden Erwartungen nicht immer erfüllt. Wir haben eine Vielzahl von Handlungsoptionen und suchen uns manchmal eine andere aus, als die, die unsere Mitmenschen von uns erwarten. Je nachdem wie unser Gegenüber mit seinen Erwartungen umgeht, kann das zu Problemen führen.

Meine — Deine

Wir haben Erwartungen an unsere Mitmenschen und sie haben Erwartungen an uns. Wir erwarten zum Beispiel von unseren Kolleg*innen, dass sie mitdenken und sich im Sinne des Teams verhalten. Von unseren Vorgesetzten erwarten wir, dass sie uns mit Ressourcen ausstatten und uns den Rücken freihalten. Wir erwarten Tischmanieren und wir erwarten von unseren Kollegen gegrüßt zu werden.

Genauso erwarten das unsere Kollegen von uns.

Unsere Erwartungen entstehen aus unseren Erfahrungen und allgemein aus unserer Sozialisation. Einen ganzen Haufen davon haben wir zum Beispiel von unseren Eltern mitbekommen. Sie sind auch stark kulturell geprägt. Ein (stereotyper) Deutscher erwartet eine andere Art von Pünktlichkeit als ein Mexikaner. Hier gibt es Konfliktpotential.

Im Zusammenhang mit Erwartungen ist immer ein wenig Achtsamkeit ratsam. Es ist gut, regelmäßig abzugleichen, ob die, die man so hat, realistisch und sinnvoll sind. Kann ich das erwarten? Muss ich das erwarten?

Angemessenheit

Oft sind Erwartungen unangemessen und das Gegenüber kann sie gar nicht erfüllen. Ich erwarte zum Beispiel manchmal von meinen Kindern, dass sie nicht rumtrödeln und leise sind. Eltern wissen, wie weit man mit solchen Erwartungen kommt. Wenn Kinder ausgelassen spielen, können sie nicht einfach aufhören, nur weil ein Erwachsener das jetzt sagt. Es wäre klug von mir, dieses Verhalten zu erwarten und nicht das oben genannte. Würde ich erwarten, dass ein Spiel nicht einfach unterbrochen werden kann, würde ich eine andere Strategie suchen, um pünktlich irgendwo zu sein. Mit der anderen Erwartung bin ich einfach nur frustriert, dass es laut ist und nichts vorwärts geht.

Das gilt auch für andere Bereiche. Sind Deine Mitarbeiter*innen und Dein*e Chef*in in der Lage zu erfüllen, was Du von ihnen erwartest? Mach doch mal einen Abgleich der Voraussetzungen und Deiner Erwartungen. Gerade wenn Du ein bisschen perfektionistisch veranlagt bist und Dir dessen grundsätzlich bewusst bist, wirst Du danach gleich ein bisschen gelassener sein.

Hier ein paar Fragen, die Du Dir stellen kannst, um Deine Erwartungen und die anderer Personen zu überprüfen:

  • Wie ist der Erfahrungshintergrund meines Gegenübers?
  • Aus welcher Kultur stammt er/sie?
  • Wie ist ihr/sein beruflicher Hintergrund?
  • Wie ist es um seine/ihre Geduld bestellt?
  • Neigt er/sie zu Perfektionismus?
  • Welches Menschenbild hat mein Gegenüber?
  • Hat sie/er eher eine optimistische oder pessimistische Grundhaltung?

Undsoweiter. Wenn Du diese Dinge abgeglichen hast, hast Du Deine Erwartungen wahrscheinlich schon angepasst 🙂

Erwartungserwartungen

Erwartungserwartungen sind unsere Erwartungen an die Erwartungen anderer. Also Erwartungen zweiter Ordnung. Dieses schöne Wort habe ich mir nicht ausgedacht. Es wurde von Niklas Luhmann geprägt. Für unsere Interaktionen sind sie wichtig. Würde ich nicht erwarten, dass mein Kollege erwartet, dass ich ihn grüße, würde ich es dann tun? Würde ich nicht erwarten, dass mein*e Vorgesetzte*r von mir erwartet, dass ich Überstunden mache, würde ich dann welche machen?

Kommunikation

Wissen wir immer ganz genau wer von uns was erwartet? Wissen die anderen, was wir von ihnen erwarten? Oft ist beides nicht der Fall. Wir erwarten, dass unsere Erwartungen implizit klar sind. Aber wie sollten sie? Nur wir verfügen über unseren speziellen Erfahrungshintergrund. Bei manchen Erwartungen liegen wir ganz richtig, weil wir unsere Mitmenschen kennen und sie uns. Oft liegen wir aber auch daneben. Manchmal mehr, manchmal weniger. Was bleibt ist zumindest eine kleine Irritation, manchmal auch große Verärgerung.

Dem können wir begegnen, indem wir darüber sprechen. Wenn Du merkst, dass jemand unzufrieden mit Dir ist, frage ihn/sie, was seine/ihre Erwartungen sind. Lege dar, ob Du denkst, dass Du sie erfüllen kannst (und willst) und gegebenenfalls was Du brauchst, um sie erfüllen zu können.

Wenn Du unzufrieden bist, stelle Deine Erwartungen klar und frage Dein Gegenüber, was er/sie dazu meint und wie ihr gemeinsam damit umgehen solltet.

Wenn man sich ausgesprochen hat, dann ist das eine Momentaufnahme. Erwartungen ändern sich. Deshalb ist es sinnvoll, einen Abgleich regelmäßig durchzuführen.

Der Umgang mit meinen Erwartungen ist meine Aufgabe.

Meine Erwartungen sind meine Erwartungen. Das sollte man sich immer vor Augen führen. Die haben erst mal nichts mit anderen Personen zu tun. Ich bin dafür verantwortlich, was ich erwarte. Meine Mitmenschen dürfen sie erfüllen, sie können es aber auch lassen. In jedem Fall muss ich damit umgehen.

Ein Beispiel: Ein Chef erwartet, dass sein Team nach Kanban arbeitet. Vorbildlicherweise kommuniziert er seine Erwartung und stellt ein Tool zur Verfügung, das vom Team anfänglich auch genutzt wird. Nach ein paar Wochen ist die „Begeisterung“ weg. Manchmal wandert noch eine halbherzig ausgefüllte Karte über das virtuelle Board, meistens aber nicht. Der Chef kann sich nun seinem Frust hingeben, dass seine Erwartung nicht erfüllt wurde (obwohl er sie kommuniziert hat!) oder er wagt den Abgleich, an welcher Stelle seine Erwartung überzogen war und die Voraussetzungen nicht gestimmt haben, um sie zu erfüllen. Hatte das Team alles, was es braucht? Hat es die Methode verstanden? Ist sie überhaupt nützlich für das Team?

Mit enttäuschten Erwartungen muss ich umgehen und niemand anderes. Nicht nur, aber insbesondere dann, wenn ich sie nicht kommuniziert habe. Den Frust darüber an anderen auszulassen ist nicht fair und nicht konstruktiv.

Einerseits ist es eine gute Strategie, die Erwartungen aktiv an die Realität anzugleichen.

Andererseits ist es aber durchaus hilfreich, hohe Erwartungen zu haben. Das kann einen weiterbringen, wenn man damit umgehen kann. Wenn sie nicht erfüllt werden, sollte man sich nicht ärgern und aufregen, sondern Verantwortung dafür übernehmen, eine Umgebung zu schaffen, in der sie leicht erfüllt werden können.

Um diesen Punkt zu erreichen, hilft Gelassenheit. Wenn meine Erwartungen meine Verantwortung sind, warum sollte ich dann ein Problem daraus machen?

Zusammenfassung

Hier nochmal das wichtigste in Stichpunkten:

  • Jeder hat Erwartungen
  • Sie sind vom Erfahrungshintergrund geprägt
  • Manchmal sind sie unangemessen
  • Manchmal sind sie unklar
  • Kommunikation hilft, sie zu verstehen
  • Meine Erwartungen sind meine Verantwortung
  • Hohe Erwartungen sind gut, wenn man damit umgehen kann

Danke, dass Du mein Blog liest 🙂

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