Empörung

Nicht funktionale Beleuchtung in einem Park, die Radfahrer blendet.
Aufregen könnte ich mich über diese Beleuchtung, die mich beim Fahrrad fahren blendet.

Empört euch
Beschwert euch
Und wehrt euch
Es ist nie zu spät

Empört euch
Gehört euch
Und liebt euch
Und widersteht

Konstantin Wecker „Empört Euch“

Als jemand, der qua Amt immer mal wieder Veränderungen anstößt, bin ich manchmal ziemlich genervt von den lauten, aufgebrachten Kollegen, denen „nie“ was recht ist. Die „immer“ „gleich“ anfangen sich zu beschweren. Die sich empören über den Mist, den sich die Chefs da schon wieder ausgedacht haben.

Bis ich dann mal einen Schritt zurücktrete.

Ich bin mir nicht sicher, ob ruhig und höflich vorgebrachte Einwände immer gehört werden. Nein, das ist zu vorsichtig formuliert. Ich bin sicher, dass ruhig und höflich vorgebrachte Einwände oft nicht berücksichtigt werden. Das ist schade. Schon als Kinder lernen wir, dass Lautstärke und Vehemenz hilft, um zu erreichen, was wir wollen. Das Kind, das leise etwas will, kann man viel leichter ignorieren, als das, das um sich schlägt und schreit. Dieses Verhalten übernehmen wir dann wohl auch als Erwachsene.

Was wäre ohne Empörung passiert?

Was hätten wir gemacht, wenn sich niemand aufgeregt hätte? Ich bin recht sicher, dass wir als Führungsteam einige Entscheidungen anders getroffen hätten. Wir hätten Bedürfnisse mancher Kollegen oder sogar ganzer Gruppen innerhalb der Firma nicht ausreichend berücksichtigt. Weil Chefs fehlbar sind und Dinge übersehen. Auch wenn wir es oft nicht wahr haben wollen. Und manchmal dringen die leisen Stimmen eben nicht durch. Dann braucht es tatsächlich jemanden, der auf den Tisch haut.

Im Großen und Ganzen bin ich überzeugt davon, dass die Entscheidungen dadurch besser geworden sind. Auch wenn der Weg dahin ein bisschen anstrengend war.

Empörung vs. Empathie

Wenn sich Mitarbeiter*innen lautstark und vehement zu einer Sache äußern, sind Vorgesetzte oft genervt. Das ist aber ein klarer Hinweis darauf, dass jemand etwas wirklich will. Oder nicht will. Bei Erwachsenen ist es meistens einfach herauszufinden, was die Gründe dafür sind. Man kann sie nämlich einfach fragen…

Wer als Chef*in genug hat von empörten Mitarbeiter*innen, der sollte mal einen Blick auf die Diskussionskultur in seiner Organisation werfen. Was passiert denn, wenn Einwände ruhig und unaufgeregt vorgebracht werden? Finden die leisen Stimmen genauso leicht Gehör wie die lauten? Oder hilft nur Lautstärke und Empörung, um einen Diskussionsbeitrag 😉 platzieren zu können? Und gibt es dann eins auf die Mütze, oder wird der Beitrag wertgeschätzt?

Wer empört darüber ist, dass man sich zu viel empört, der darf gerne mal versuchen, die leisen Argumente anzuhören und ihnen ein angemessenes Gewicht zu geben. Auch dann, wenn sie nicht zur eigenen Meinung kompatibel sind. Dabei hilft es, sich in die Situation des Gegenübers einzufühlen. Was sind ihre Werte? Was ist ihre Identität? Nach welchen Überzeugungen handelt sie? Die Mitarbeiter*in hat mit Sicherheit eine positive Absicht, die es zu erkennen gilt. Dass jemand seiner eigenen Organisation ernsthaft schaden will, ist sehr selten. Oft kommt man dann darauf, dass eine Entscheidung nicht gut genug erklärt wurde und die Aspekte, die eingebracht werden, schon berücksichtigt sind. (Wenn auch nicht so, wie es sich die Person vielleicht gewünscht hätte…)

Muss man jede Entscheidung jedem erklären? Nicht unbedingt. Aber wenn sich jemand über eine Entscheidung aufregen „muss“, dann ist es schon gut, mit dieser Person zu sprechen. Einfach als Ausdruck von Respekt und Wertschätzung.

Ich bin überzeugt davon, dass durch ausreichend Empathie der Grad der Empörung in Organisationen deutlich gesenkt werden kann.

Bei Kolleg*innen, bei denen zuhören, erklären und einbeziehen nicht hilft und die dauerempört sind, darf man sich die Frage stellen, ob nicht vielleicht ein Problem mit der Passung zur Organisation besteht. Man darf ihnen natürlich auch ein Coaching anbieten.

Energie der Empörung

Empörung ist ein Ausdruck von Leidenschaft. Davon, dass man für seine Ideale und Werte einsteht. Wenn man sie seinen Vorgesetzten zeigt, dann gehört vielleicht auch Mut dazu. Auf jeden Fall ist dann eine hohe Energie vorhanden. Veränderungsenergie oder Beharrungsenergie. Wenn man seine Empörung nicht nach außen trägt, dann zeigt die Energie nach innen und richtet eher Schaden an der eigenen psychischen Gesundheit an. Sobald jemand die Empörung nach außen trägt, kann man die Energie nutzen. Zumindest, wenn man nicht gleich auf stur schaltet, sobald jemand sein Anliegen mit einem etwas höheren Erregungsgrad anbringt.

Hier ein paar Fragen, die Du stellen kannst: Dich stört, was wir hier umsetzen wollen? Oder wie wir es umsetzen wollen? Was stört Dich daran? Warum stört es Dich? Welche Aspekte haben wir nicht berücksichtigt? Wie können wir es aus Deiner Sicht besser machen?

Oft kommen dann gute Ideen. Manchmal lässt sich die Energie sogar in Engagement für die Sache ummünzen.

Zusammenfassung

Manchmal geht es nicht ohne Empörung. Dann, wenn Aspekte wichtig sind, die sonst keine Beachtung finden würden. Wenn sich jemand empören muss, dann tut man als Führungskraft gut daran, dieser Person zuzuhören. Dann werden vermutlich Werte oder tiefe Überzeugungen verletzt. Es ist besser, wenn eine Person ihre Erregung zeigt und sie nicht in sich hineinfrisst. Wenn die Energie nach außen deutet, dann ist sie vielleicht sogar nutzbar.

Bezüglich der blendenden Straßenbeleuchtung aus dem Bild oben habe ich mich übrigens an den zuständigen Bezirksausschuss gewandt. Es kam die Antwort, dass es sich um Kunst handelt und man daran leider nichts ändern kann. Ich wäre aber nicht der erste gewesen, den das stört. 🤷‍♂️

So, dann gehe ich mal wieder mit ein paar empörten Kolleg*innen schimpfen. Danke, dass Du meinen Blog liest.🙂

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