Der Ernst des Lebens

Cyber-Aufkleber auf dem Gipfelkreuz der Zugspitze.
Der höchste Cyber-Gipfel Deutschlands im Nebel.

… ist massiv überbewertet. Ernste Themen lassen sich mit nach oben zeigenden Mundwinkeln viel besser bewältigen, als mit einem dem Ernst der Lage angemessenen Gesichtsausdruck.

Irgendwie ist meinem Umfeld — Mich eingeschlossen — in den vergangenen zwei Jahren ein Teil unseres Humors verlorengegangen. Kein wirkliches Wunder. Mir ist aber Humor, Ausgelassenheit und Lachen so wichtig, dass ich das nicht hinnehmen will. Was bietet sich da mehr an, um das zu ändern, als einen Blogpost zu schreiben, den keiner liest?

Humor

Was ist Humor überhaupt? Hier ein paar Definitionen und Abgrenzungen.

Humor…

  • findet beim Empfänger statt. Ein einfaches Beispiel: Ich finde Naziwitze lustig. Die meisten Nazis aber vermutlich eher nicht. Außer sie haben Humor. Gibt‘s bestimmt auch.
  • ist, wenn man trotzdem lacht. Eine Inszenierung der Unangemessenheit. Ich finde zum Beispiel den Fachkräftemangel in der IT momentan total gut. So wird uns nicht langweilig und wir haben mehr Geld für Hardware… Die nicht lieferbar ist.
  • ist Selbstironie.
  • bedeutet, das Leben nicht so ernst zu nehmen.
  • ist ein Oberbegriff, der für jede Art von Spaß, Witz, Ironie, Spott und Hohn verwendet wird. Oft fälschlicherweise. Aber das ist nur meine Konstruktion von Wirklichkeit.
  • zu haben bedeutet, mitlachen zu können, wenn die eigenen Person im Fokus eines Witzes steht.
  • ist die Fähigkeit scharf zu beobachten und Bemerkungen zu machen, die das Gegenüber lustig findet.
  • geht nur mit Wohlwollen und Zuneigung.

Sich selbst nicht so ernst nehmen

Am wichtigsten für ein humorvolles Leben ist, dass man sich selbst nicht so ernst nimmt. Dafür braucht es eine gesunde Dosis Selbstbewusstsein, Selbstliebe und einen klaren Blick auf die eigenen Eigenschaften. Und zwar auf die, die man selbst für gut hält und auch auf die „schlechten“.

Das mit der Selbstliebe kann ich gar nicht überbetonen. Ich beobachte oft, dass vermeintlich selbstironische, humorvolle Kommentare eigentlich Selbstgeißelung sind. Es ist ein großer Unterschied, ob man wohlwollend auf die eigenen Unzulänglichkeiten schaut, oder mit Verachtung.

Ausgelassenheit

Ausgelassenheit ist sozusagen die Steigerung von Gelassenheit. Die Sorgen und Nöte treten in den Hintergrund. Man fühlt sich froh, glücklich und ressourcengeladen.

Es ist nie zu spät für eine glückliche Kindheit. Einfach mal lachen, rumblödeln und den Ernst des Lebens für ein paar Minuten komplett ausblenden und nicht nur passiv-stoisch ertragen.

Lachen

Lachen ist gesund. Es senkt den Cortisol- und Adrenalinspiegel, mindert körperliche Stressreaktionen erheblich und führt zu Entspannung. Auch stärkt es das Immunsystem. Nach ein paar kräftigen Lachanfällen lässt sich das im Blutbild nachweisen.

Eine mir bekannte Yogalehrerin beginnt ihre Stunden meistens mit ein paar Minuten Lachyoga. Wer das schon mal erlebt hat, kann bestätigen, dass Lachen auch zu Entspannung und guter Laune führt, wenn man es willkürlich und ohne Anlass tut. Eine wirksame Methode, um gut in eine Yoga-Session zu starten. Oder in jeden Tag.

Lachen während der Arbeit sollte ausdrücklich erwünscht sein.

Der schmale Grat zwischen Humor und Beleidigung

Ob eine Bemerkung als humorvoll aufgefasst wird oder als Beleidigung beziehungsweise Angriff, hängt von zwei Faktoren ab.

  • Die Beziehung zum Gegenüber muss von hoher Qualität sein.
  • Das „Humorlevel“ muss stimmen.

Beziehung

Wenn die Beziehung passt, kann man sich so manche freche Bemerkung erlauben, über die das Gegenüber gerne lacht. Es ist sowieso immer gut, Energie in den Beziehungsaufbau zu stecken. Wenn man gemeinsam lachen will ist es noch wichtiger. Nur wenn man sein Gegenüber kennt, kann man einschätzen, wann eine lustig gemeinte Bemerkung auch so aufgefasst wird.

Humorlevel

Es ist wichtig, es nicht zu übertreiben. Manche Späße, die man selbst lustig findet, treffen andere unter der Gürtellinie. Wenn man sein Gegenüber nicht so gut kennt, ist da ein bisschen Vorsicht geboten. Manchmal lachen Menschen, weil sie denken, dass sie Humor zeigen müssen, sind aber eigentlich von einem Witz tief getroffen. Das gilt insbesondere für vertikale Beziehungen. Als Chef*in braucht man ein bisschen mehr Fingerspitzengefühl, wenn man seine Untergebenen auf die Schippe nehmen will.

Sowohl die Qualität der Beziehung als auch die Humortoleranz können von der Tagesform abhängen. Wenn jemand schlecht drauf ist, ist es vielleicht besser sich ein anderes Ziel für Späße zu suchen.

„Passiver“ Humor

Die Rolle des Empfängers von Späßen ist ein bisschen undankbar. Es wird von einem erwartet, dass man Witze, deren Ziel man ist, lustig findet. Ob das so ist, hängt davon ab, ob man das eben kann. Jetzt im Moment („Meine Oma ist gerade gestorben. Such Dir ein anderes Opfer.“) oder generell („Meine Oma ist vor 23 Jahren gestorben. Such Dir ein anderes Opfer.“).

Kann ich über meine eigenen tatsächlich vorhandenen oder zugeschriebenen Eigenschaften lachen? Wo ist meine Grenze, ab der ich es als Diskriminierung empfinde? Wie oft finde ich Witze über meine Körpergröße, Haarfarbe, Persönlichkeit oder Herkunft lustig? Wann ertrage ich sie nur noch und wann gehen sie mir richtig auf die Nerven?

Hier ist es sehr wichtig, die Grenze zu kommunizieren. Gerne auf humorvolle Weise, aber klar und deutlich. Ich bin der Meinung, dass man hier auch mal scharf zurückschießen kann. Das Gegenüber sollte dann aber verstehen, dass man dieses Stilmittel gewählt hat, um klar zu machen, wie sich so ein „Witz“ anfühlt.

„Aktiver“ Humor

Wenn man nicht nur sich selbst — das geht immer — sondern auch andere Personen als Humorziel auserwählt, dann ist es wichtig, ihnen mit Respekt und Wertschätzung gegenüberzutreten. Am besten sind Scherze, Witze und ironische Bemerkungen bei Personen platziert, die man mag und denen man zum Beispiel eine Verhaltensänderung zutraut.

„Was sich liebt, das neckt sich“, sagt der Volksmund. Was sich nicht liebt, das sollte sich vielleicht besser nicht necken.

Wenn man unveränderliche Eigenschaften einer Person in den Fokus nimmt, dann nur, wenn die Beziehung das sicher verkraftet. Ansonsten ist man schnell im Bereich von „lieber einen guten Freund verloren, als einen schlechten Witz unterdrückt“.

Wenn man diese Grundsätze beherzigt, kann man Humor hervorragend nutzen, um sein Gegenüber zum Lachen zu bringen und absurdes Verhalten aufzuzeigen.

Grundsätzlich gilt, dass ein gutes Verhältnis zwischen Geber- und Nehmerqualitäten existieren sollte. Wer austeilen will, muss auch einstecken können.

Eigentlich wollte ich diesen Blogpost mit einem Witz abschließen. Mir fällt aber keiner ein.

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