Alternativlosigkeit

Blick durch das Höllental in Richtung Zugspitze. Zu Fuß hochgehen ist für mich alternativlos.
Berge zu besteigen ist definitiv alternativlos.

„Wachstum ist für uns alternativlos.“ — „Ein eigenes Auto zu besitzen ist immer noch alternativlos.“ — „Dieser Job ist für mich leider alternativlos.“ — „Es gibt einfach keine Alternative zu Geschäftsreisen per Flugzeug.“

Wenn ich diese Aussagen höre, dann bin ich sofort überzeugt. Nämlich davon, dass die Person, die sie trifft nicht über Alternativen nachdenken will oder ihr/ihm vielleicht auch die Fähigkeiten fehlen sie umzusetzen. Oder davon, dass sie/er aus irgendeinem Grund die Entscheidung nicht erklären will oder kann. Zumindest aber davon, dass er/sie nicht darüber nachgedacht hat, was so eine Aussage bewirkt. Alternativlos ist nichts.

Auch wenn „alternativlos“ schon im Jahre 2010 zum Unwort des Jahres gekürt wurde, so ist es für mich gefühlt immer noch in aller Munde, wenn es darum geht, Diskussionen auszuweichen. Und wenn es nicht dieses Wort ist, dann doch zumindest die implizite Aussage, dass es keine Alternativen gibt.

Gründe für Alternativlosigkeit

Wenn jemand Alternativlosigkeit proklamiert, dann passiert das meistens aus einem der folgenden, wenig schmeichelhaften Gründe:

  • Hilflosigkeit: „Hilfe, ich weiß keine bessere/andere Alternative.“
  • Ignoranz: „So richtig mag ich nicht über das Thema nachdenken.“
  • Phantasielosigkeit: „Mir fällt keine andere Alternative ein.“
  • Mangelnde Ressourcen oder Fähigkeiten: „Wenn ich mehr oder andere Mittel zur Verfügung hätte, dann könnten wir es anders machen.“
  • Machtlosigkeit: „Die Entscheidung wurde mir vorgegeben und ich kann sie nicht ändern.“
  • Unwille: „Ich möchte Dir meine Entscheidung nicht erklären.“
  • Stolz: „Mit Dir will ich nicht zusammenarbeiten, um eine bessere Lösung zu finden.“

Einige Empfänger einer alternativlosen Kommunikation werden die Alternativlosigkeit vermutlich akzeptieren. Aber es wird auch welche geben, die die Gründe durchschauen und bei denen ein bitterer Nachgeschmack zurückbleibt.

Alternativen gibt es immer…

… nur sind die natürlich von unterschiedlicher Attraktivität und Umsetzbarkeit. Hier ein paar Beispiele: Klar geht es ohne Auto. Ich sage nur Lastenrad, Bahn, Carsharing… Ist halt nicht so bequem wie sich einfach ins eigene Auto zu setzen. Dafür aber gut für die Umwelt.

Die einzige Alternative zu Firmenwachstum ist auch nicht Stillstand oder Rückschritt sondern vielleicht Stabilisierung und Konsolidierung. Aber erklär das mal den Aktionären.

Zumindest eine irgendwie geartete Nulloption existiert immer. Klar, die ist oft nicht attraktiv. Aber dennoch existiert sie. Und wenn man sich ein bisschen Mühe gibt, findet man auch noch andere Möglichkeiten.

Offenheit

Aus meiner Sicht gibt es zwei Wege um Entscheidungen gut zu kommunizieren, die keine Alternativlosigkeit benötigen.

Verkünden von Entscheidungen

Niemand ist dazu gezwungen, jede Entscheidung zu begründen und alle Alternativen darzulegen. Wenn man diesen Weg geht, dann aber bitte mit offenem Visier. Hier ein Beispiel:

  • Nicht: „Die Durchführung von Geschäftsreisen per Kurzstreckenflug ist für uns alternativlos.“
  • Sondern: „Wir haben uns entschieden, weiterhin Geschäftsreisen per Kurzstreckenflug zu bevorzugen.“

Damit handelt man sich vermutlich mehr Diskussionen ein, macht sich aber die Entscheidung zu eigen und zeigt, dass man dahintersteht und sehr wohl die Alternativen bedacht hat. Die alternativlose Variante empfinde ich als einen Versuch sich wegzuducken und eben diese Diskussionen zu vermeiden. Wenn man nicht zu Diskussionen bereit ist, dann sagt man das eben dazu.

Erklären von Entscheidungen

Der Königsweg aus meiner Sicht ist, die Entscheidungen zu erklären. Warum hält man die getroffene Entscheidung für die richtige? Was waren die Gründe, aus denen man sich so entschieden hat? Was waren die diskutierten Alternativen und warum wurden diese verworfen? Unter welchen Rahmenbedingungen wurde die Entscheidung getroffen? Wurde sie vorgegeben?

Wer so handelt, hat es leichter, da sich die Empfänger der Kommunikation abgeholt fühlen und die Entscheidung eher mittragen werden.

Anständige Kommunikation

Meine These: Wer mit Anstand kommuniziert, hat Alternativlosigkeit nicht nötig. Entscheidungen werden ehrlich erklärt. Und wer das nicht will, macht seinem Gegenüber zumindest klar, dass die Entscheidung unter Berücksichtigung von Alternativen getroffen wurde und dass er keine Begründung bekommt.

Und wer sagt es sei etwas alternativlos und dann doch erklärt, warum das so ist, der hätte sich das Wort auch gleich sparen können. 🙂

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