Was ist eigentlich ein guter Chef?

Dieser Artikel ist Teil 4 der Serie Plötzlich Führungskraft Teil 1 findest Du hier, Teil 2 hier und Teil 3 hier.

Ponys in Lesotho
Kein Ponyhof, aber Ponys.

Im Folgenden habe ich ein paar Eigenschaften, Werte und Fähigkeiten festgehalten, an denen man aus meiner Sicht eine gute Führungskraft erkennt. Es handelt sich um ein Idealbild, dem die wenigsten Führungskräfte in vollem Umfang gerecht werden (können). Diese*r Superheld*in🦸🏽‍♂️ gibt uns aber Orientierung, in welchen Bereichen wir uns verbessern können. Ich beschränke mich auf die wichtigsten Kriterien. Wie gesagt… Die Liste der Erwartungen an uns Führungskräfte ist lang.

Die Themen sind hier nur kurz angerissen. Die meisten davon bieten Stoff für viele weitere Blogposts. Es geht mir hier darum, einen Überblick zu schaffen und zum Nachdenken anzuregen. In die Bereiche, die Dir besonders lohnenswert erscheinen, solltest Du tiefer eintauchen.

Glaubwürdigkeit, Integrität und Verlässlichkeit

Als Chef*in muss man sich auf Dich verlassen können. Wenn Du folgende drei Werte verinnerlichst, legst Du dafür den Grundstein:

  • Glaubwürdigkeit: Wer auf Dauer zu Übertreibungen neigt oder es mit der Wahrheit nicht ganz so eng sieht, der verspielt schnell das Vertrauen seiner Mitarbeiter*innen.
  • Integrität: Ebenso ist es wichtig, dass „Sagen“ und „Tun“ zusammenpassen. Ein Beispiel: Du predigst Deinen Mitarbeiter*innen auf ihre Life Balance zu achten, bist aber selbst immer erreichbar und machst viele Überstunden. Deine Mitarbeiter*innen werden Dich nicht ernst nehmen und nicht auf Dich hören.
  • Verlässlichkeit: Wenn Du sagst, dass Du eine Aufgabe erledigst, dann erledigst Du sie. Wenn das aus irgendwelchen Gründen nicht möglich ist, sorgst Du dafür, dass sie erledigt wird. Sollte auch das nicht möglich sein, informierst Du die Personen, die auf die Erledigung der Aufgabe warten.

Das ganze gilt natürlich nicht nur für Zeiten, in denen der Himmel blau ist. Auch wenn es mal schwierig wird, solltest Du Deine Werte nicht über Bord werfen. Schönwetterkapitäne gibt es genug.

Menschenbild

Aus meiner Sicht hilft ein humanistisches Menschenbild bei der Führung. Für mich ist es sogar unerlässlich. Kurzfristig kann man sicher auch mit einer anderen Einstellung zu seinen Mitmenschen Erfolg haben, aber das Leben als Chef*in ist einfach viel schöner, wenn man an das Gute in seinen Mitarbeiter*innen und Kollegen glaubt. Auch sind alle Maßnahmen, die den Menschen im Mittelpunkt haben einfach nachhaltiger. Kurz zusammengefasst sagt ein Humanist über seine Mitmenschen:

Der Mensch ist von Grund auf gut und einzigartig. Er möchte Entscheidungen in seinem Leben selbst treffen und über sich selbst bestimmen. Jeder Mensch ist fähig zu Weiterentwicklung und Wachstum.

Als Führungskraft tut man gut daran, die Verschiedenheit der Menschen zu schätzen, mit denen man zusammenarbeitet. Wer seinen Mitarbeiter*innen grundsätzlich positive Absichten unterstellt und ihre Potentiale sieht und fördert, der wird mehr Spaß bei der Arbeit haben, weil er es mit einem motivierten Team zu tun hat.

Überflussmentalität

Wer eine Überflussmentalität hat und danach handelt, geht davon aus, dass Glück, Erfolg und andere Ressourcen in so großer Menge vorhanden sind, dass der Bedarf aller Menschen daran gestillt werden kann. Wer diese Geisteshaltung hat, hat keinen Konkurrenzkampf nötig und freut sich über die Erfolge seiner Mitmenschen, anstatt sie ihnen zu missgönnen.

Diese Art zu denken fördert die Zusammenarbeit. Nehmen wir an, zwei Abteilungen haben gemeinsam ein Projekt abgeschlossen. In einer Überflussmentalität muss sich niemand in den Vordergrund stellen und den Erfolg für sich allein beanspruchen. Beide Abteilungen drücken ihre Wertschätzung für den Beitrag der anderen aus und stellen den Erfolg als gemeinsamen dar. Dass ein Bereich einen größeren Beitrag geleistet hat als der andere ist ganz normal und beiden egal, weil der gemeinsame Erfolg mehr zählt. Das bedeutet nicht, dass die Beiträge nicht klar benannt werden dürfen.

Führungskräfte mit einer Überflussmentalität stellen Personen ein, die besser sind als sie selbst. Was auch immer das bedeutet. Sie haben keine Angst um ihre Position sondern sind sogar überzeugt davon, dass es ihre Aufgabe ist. Je besser die Mitarbeiter*innen, desto besser ist die Team-Performance und das ist schließlich zum Wohle aller. Nicht zuletzt auch zum Wohle der Führungskraft, die wahrscheinlich daran gemessen wird.

Der verbreitete Gegensatz der Überflussmentalität ist die Knappheitsmentalität. Sie geht davon aus, dass jemand etwas verlieren muss, damit man etwas gewinnen kann. Diese Geisteshaltung fördert Konkurrenzkämpfe und Silodenken.

Gutes Beispiel

Ich habe hier bewusst nicht „Vorbild“ geschrieben. Seine Vorbilder wählt jeder selbst und Du kannst niemanden dazu zwingen, Dich als seines zu wählen. Du kannst Dich aber so verhalten, dass es zumindest möglich wäre, dass Dich viele Mitarbeiter*innen als ihres aussuchen. 😉

Hier ein paar Beispiele für „vorbildliches“ Verhalten:

  • Nicht schlecht über andere reden.
  • Positive Grundeinstellung. Wer Probleme sieht, hat Probleme. Wer Chancen sieht, hat Chancen.
  • Überflussmentalität sichtbar machen. Konkurrenzkämpfe unterbinden, Zusammenarbeit attraktiv machen.
  • Auf die Life Balance achten, nicht immer erreichbar sein.
  • Nicht krank zur Arbeit gehen.
  • Wertschätzung zeigen.
  • Feedback geben.
  • Auch mal richtig ranklotzen, wenn es die Situation erfordert.
  • Vertrauen zeigen.

Undsoweiter. Dir fällt bestimmt noch mehr ein.

Befähigung

Eine gute Führungskraft führt keine Tagesstätte für betreutes Arbeiten, sondern ein mündiges Team von fähigen, erwachsenen Menschen.

Deine Mitarbeiter*innen brauchen alle Fähigkeiten und Ressourcen, um ihre Aufgaben erfüllen zu können. Dazu gehört nicht nur Fort- und Weiterbildung, sondern auch, dass Du ihnen die Möglichkeit gibst, Selbstwirksamkeit zu erleben. Das bedeutet, dass Du anspruchsvolle Aufgaben nicht selbst erledigst, sondern sie Deinen Mitarbeiter*innen gibst. Das gilt auch für Entscheidungen. Die Entscheidungen, die ihre Arbeit betreffen, können und sollen sie selbst fällen. Man spricht vom Subsidiaritätsprinzip: Wenn die Fähigkeiten für die Erledigung der Aufgabe oder die Entscheidung ausreichen, dann sollte sich keine höhere Instanz einmischen. Und je mehr man jemandem zutraut, desto besser werden ihre Fähigkeiten. Wie von Zauberhand…

Eine gute Führungskraft weiß aber auch, dass sie situativ führen muss. Es gibt Mitarbeiter*innen, die sich mehr Begleitung und Anleitung wünschen. Phasenweise oder generell. Das solltest Du im Blick haben ihnen die Unterstützung geben, die sie brauchen. Aber auch das musst Du nicht selbst machen. Eine erfahrene Kollegin ist als Mentorin hervorragend geeignet und das Ziel sollte immer sein, die Mitarbeitenden zur Eigenständigkeit zu bringen.

Das Ziel und der Weg

Die Führungskraft kennt die Richtung, in die ihr Bereich gehen soll. Was das bedeutet, kann unterschiedlich sein. Sollen Kennzahlen erreicht werden? Gibt es Projektziele? Unternehmensziele, zu denen ein Beitrag zu leisten ist? Soll Dein Team effizienter werden? Willst Du die Zusammenarbeit verbessern?

Eine gute Führungskraft sorgt dafür, dass ihre Mitarbeiter*innen die Ziele kennen, wissen, was sie bedeuten und ausreichende Ressourcen vorhanden sind, um sie zu erreichen. Das betrifft insbesondere die Bereiche Wo*manpower, Befähigung und Arbeitsmittel.

Den Weg zur Erreichung des Ziels finden die Mitarbeiter am besten selbst. Weil sie es (meistens sogar besser) können und weil es zur Befähigung (siehe oben) beiträgt.

Selbstfürsorge

Stell Dir vor Du kriechst kurz vor dem Burnout auf dem Zahnfleisch dahin. Denkst Du, dass Du genug geistige Kapazität übrig hast, um alle Herausforderungen, die sich Dir als Führungskraft stellen, zu meistern? Lass es gar nicht erst so weit kommen. Sorge für Deine Life Balance. Bewegst Du Dich genug? Hast Du Zeit für Dich? Zeit zum Nachdenken? Meditierst Du? Liest Du Bücher? Achtest Du auf Deine Ernährung? Optimalerweise beantwortest Du nicht nur eine oder zwei dieser Fragen mit „Ja“, sondern alle. Nur wer für sich selbst sorgt, kann sich auch um die Belange anderer kümmern und hat den Kopf frei dafür, besser zu werden.

„Normal“ ist heute in den meisten Unternehmen ein gewisses Level von Unsicherheit und Ressourcenknappheit. Lerne damit umzugehen. Es gibt keinen externen Stress. Stress ist Deine Reaktion auf äußere Umstände und Du bist nicht verpflichtet ihn zu empfinden 😉.

Alles leichter gesagt als getan, das ist klar. Wenn Du auf diesem Gebiet Nachholbedarf hast, fang am besten gleich damit an, Dinge zu verändern. Und wenn es nur Kleinigkeiten sind. Hole Dir bei Bedarf Unterstützung.

Entscheidungen

Eine gute Führungskraft trifft Entscheidungen zügig und benennt sie klar. Eine Entscheidung ist immer für eine Option und gegen eine andere. Alles auf einmal geht nicht, wenn man begrenzte Ressourcen hat.

Es wird zwangsläufig jemand mit den Entscheidungen, die Du triffst unzufrieden sein. Das ist normal. Wenn man versucht es allen recht zu machen, ist am Ende keiner glücklich. Du begleitest den Veränderungsprozess und lässt niemanden im Regen stehen.

Entscheidungen werden mit dem Wissensstand zum Zeitpunkt der Entscheidung getroffen. Kann sein, dass es drei Monate nach der Entscheidung neue Informationen gibt. Die liegen dann aber drei Monate zu spät vor…

Du benennst die möglichen Folgen und Risiken der Entscheidung und bist bereit den Preis dafür zu zahlen. Den Told-You-So-Tänzchen der Zweifler und Meckerer kannst Du entspannt zuschauen.

Und wenn alle Stricke reißen, die Bedingungen sich ändern oder man etwas übersehen hat: Eine gute Führungskraft scheut sich nicht, Entscheidungen zu ändern, wenn sie merkt, dass sie auf einem falschen Weg ist.

Perfektionismus

Wo wir gerade beim Thema Entscheidungen waren, noch ein kurzes Wort zum Perfektionismus. Wenn das Risiko begrenzt ist — und das ist es meistens —, dann ist es besser, Entscheidungen schnell zu treffen, als ewig Informationen zu sammeln und sich vorzubereiten. Es ist wichtig in eine Richtung zu laufen und nicht planlos im Kreis. Gut genug ist gut genug.

Mut

Diese Eigenschaften und Paradigmen sprechen Dich an, aber in Deiner Firma herrscht eher Knappheitsmentalität und Misstrauen? Sei mutig und beginne trotzdem nach diesen Prinzipien zu führen. Ich bin überzeugt davon, dass jede Führungskraft, die das oben geschriebene umsetzt, ihr Leben und das ihrer Mitarbeiter schöner macht. Und vielleicht ist das ja der erste Schritt, die Kultur in Deiner Firma zum Besseren zu ändern.

Und jetzt geh bitte Dein Cape bügeln.

Wo ist mein Pony?
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